Veranstaltung: | BDKJ-Hauptausschuss Juni 2021 |
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Antragsteller*in: | CAJ |
Status: | Zurückgezogen |
Eingereicht: | 07.04.2021, 01:28 |
7.4: Ein Grundeinkommen, das bedingungslos ein gelingendes Leben junger Menschen sichert!
Antragstext
Die Hauptversammlung möge beschließen:
Nach wie vor sind vor allem junge Menschen von prekären Lebenssituationen
betroffen. Armut, mangelnde Teilhabe, der fehlende Zugang zu Bildung und
Erwerbsarbeit sind zugleich Ursachen und Folgen. Noch immer spielt die soziale
Herkunft eine wesentliche Rolle dabei, welche Chancen junge Menschen im Leben
ermöglicht werden können. Gleichzeitig stellen Kinder eines der größten
Armutsrisiken für Erwachsene dar. Tradierte Geschlechterrollen spiegeln sich
weiterhin in den Berufszuschreibungen und der Berufswahl junger Menschen wider,
sodass eine ungerechte Verteilung von Einkommen und finanzieller Absicherung die
Folge ist. Davon sind vor allem Mädchen und Frauen betroffen. Insbesondere
Jugendliche und junge Erwachsene sind von befristeten Arbeitsverträgen,
Erwerbslosigkeit und wenig Planungssicherheit bezüglich ihres Einkommens
betroffen. Das führt dazu, dass sich Wege für das eigene Leben verschließen.
Unser Wirtschaftssystem lebt von der abhängigen Beschäftigung von
Arbeitstätigen. Eine gute Bildung ist wiederum ein wesentlicher Baustein auf
dem Weg in die Erwerbsarbeit. Die Bildungschancen junger Menschen hängen jedoch
zugleich vom finanziellen und sozialen Hintergrund ihrer Herkunftsfamilie ab.
Bildung wird im schulischen Kontext vor allem in Abhängigkeit zum
Erwerbsarbeitsmarkt gesehen. Durch den demografischen Wandel verschiebt sich
weiterhin die Altersstruktur, sodass sich durch die Fokussierung auf die
Erwerbsarbeit weiter die Problematik der Machbarkeit von
Generationengerechtigkeit verschärft.
Gerade während der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, wie schnell damit einzelne
Menschen abgehängt werden: Kinder und Jugendliche aus chancenschwachen Familien
und Kontexten fehlt der Zugang zu ausreichend Ressourcen, um ein Lernen möglich
zu machen. Der fehlende Zugang zum Ausbildungsmarkt führt zu Brüchen in den
Lebenswegen junger Menschen. Der Wegbruch der Erwerbsarbeit und der mangelnde
Zugang zu einem einfachen und transparenten Sicherungssystem betrifft nicht nur
die einzelnen Menschen, sondern große Personengruppen. Aufgrund der mangelnden
Gestaltungschancen ihres eigenen Lebens rücken diese Menschen weg aus der Mitte
unserer Gesellschaft. Teilhabe und Solidarität werden schwächer.
Demgegenüber steht jedoch die Würde jedes Menschen! Unsere gemeinsamen Werte
von Freiheit, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit, Subsidiarität und Solidarität
leiten unser Handeln – im BDKJ und darüber hinaus.
Aus diesen Gründen erweitert der BDKJ seine Forderung: Wir treten gemeinsam
für ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Bürger*innen ein, unabhängig
von ihrem Alter!
Ein solches Grundeinkommen umfasst folgende Eckpfeiler:
- Das bedingungslose Grundeinkommen wird individuell gewährt. Das heißt,
dass jede*r Bürger*in unabhängig von Bedarfsgemeinschaften in Ehen,
Wohngemeinschaften, o.ä. einen Rechtsanspruch auf das Grundeinkommen hat.
- Eine Bedürftigkeitsprüfung findet nicht statt. Jeder Mensch hat Anspruch
auf das Grundeinkommen unabhängig von Einkommen und Vermögen.
- Das Grundeinkommen wird ohne Zwang zur Arbeit – egal ob es sich hier um
Erwerbsarbeit, Sorgearbeit, Freiwilligenarbeit oder Bildungsarbeit handelt
– gewährt. Es wird keine Gegenleistung verlangt.
- Die Höhe des Grundeinkommens muss existenzsichernd sein und die Teilhabe
am gesellschaftlichen und kulturellen Leben ermöglichen. Damit werden die
Angst vor Armut überwunden und die Wege in eine gemeinwohlorientierte
Gesellschaft ermöglicht.
- Das bestehende Sozialsystem muss aufrechterhalten werden und darf nicht in
Konkurrenz zu einem bedingungslosen Grundeinkommen stehen. Diese
Errungenschaft unseres Sozialsystems ist ein Gewinn des Kampfes um ein
gerechte Gesellschaft zugunsten der Sicherung der Menschen. Ein
bedingungsloses Grundeinkommen ergänzt dieses System.
- Die Finanzierung des bedingungslosen Grundeinkommens muss weiterhin
solidarisch gestaltet sein und alle Einkommensarten einbeziehen. Das
bedeutet, dass beispielsweise auch Mieteinnahmen, Kapitalerträge aus
Vermögen, Ökosteuern, etc. als Quelle für eine finanzielle Absicherung
genutzt werden. Dies entkoppelt die Sicherung von der reinen Erwerbsarbeit
und führt zu einer Umverteilung weg von den vermögenden Bürger*innen
zugunsten finanziell schwächer gestellter Menschen.
Für den BDKJ bedeutet dieser Beschluss konkret:
- Der BDKJ tritt weiterhin in Politik und Gesellschaft und durch die
Beteiligung in Netzwerken und Initiativen für ein Grundeinkommen ein. Er
erweitert dort seine Forderungen um die Bedingungslosigkeit und wird damit
der aktuellen Praxis gerecht. Das Kinder- und Jugendgrundeinkommen wird in
einen größeren Kontext eingebettet.
- Das bestehende Grundeinkommensmodell des BDKJ wird in Zusammenarbeit mit
dem zuständigen Referat der Bundesstelle überarbeitet und angepasst.
Vertreter*innen aus den Jugend- und Diözesanverbänden werden in der
Entwicklung mit einbezogen.
Begründung
Bereits seit 2003 hat der BDKJ einen Beschluss zum Grundeinkommen gefasst. Seitdem hat sich jedoch die Debatte um das Grundeinkommen verändert und ist vorangekommen. Im Kontext anderer Modelle des Grundeinkommens und auch anderer Akteur*innen im Bereich des Grundeinkommens ist damit das Modell des BDKJ in einigen Punkten eher rückständig. Die Knüpfung an Bedingungen (Kinder- und Jugendliche, Arbeitsstunden) erschwert die Zusammenarbeit mit allen Akteur*innen, die ein emanzipatorisches Grundeinkommen fordern. Zugleich entsteht eine Andockfähigkeit mit im Sinne der sonstigen Beschlüsse des BDKJ eher fragwürdigen Initiativen.
In der gelebten Praxis findet sich der BDKJ jedoch bereits im Netzwerk Grundeinkommen und in der Europäischen Bürgerinitiative zum bedingungslosen Grundeinkommen wieder. In beiden Netzwerken ist eine Bedingungslosigkeit des Grundeinkommens impliziert.
Die inhaltlich durchaus bedenkenswerte Forderung, dass jede*r in irgendeiner Weise auch einen Beitrag zur Gesellschaft leisten kann und muss, wird dadurch nicht aufgehoben. Ein bedingtes Grundeinkommen erscheint hier jedoch nicht als geeignetes Instrument dies sicher zu stellen.
Die im Modell von 2003 geforderten 500 Stunden in Erwerbsarbeit, Ehrenamt, Care- oder Bildungsarbeit lassen sich nicht vernünftig überprüfen. Entweder erfordert die Kontrolle sehr viel Bürokratie, oder die Nachweisführung so viel Vertrauen, dass die Bedingungen nur noch Makulatur sind. Außerdem entstehen problematische Anreizsysteme, beispielsweise die alleinige Übernahme eines Ehrenamts, um 500 Stunden nachweisen zu können.
Das Auflösen der Bedingungen des Grundeinkommens ermöglicht noch besser ein Antreten und Eintreten gegen Kinder- und Jugendarmut und nimmt Kinder- und Jugendliche als mündige Bürger*innen ernst. Deren Zugang zu einem gelingenden Leben durch Bildung, Teilhabe und Sicherheit wird von äußeren Umständen, etwa der Bereitstellung von einer möglichen Arbeit, gelöst.
Im Bereich der Kinder und Jugendlichen ist das Modell des BDKJ wegweisend. Hier lohnt der Diskurs mit anderen Akteuren der Grundeinkommensbewegung.
Dieser Antrag erweitert die bestehenden Beschlusslagen von 2003 (Solidarität – Chance für die Zukunft inklusive Arbeitshilfe von 2007) und 2013 (Gerechte Generationenpolitik – zukunftsfähig und solidarisch) und passt ihn aktuellen Gegebenheiten an.
Gerade durch die Corona-Pandemie wurde deutlich, wie wichtig eine einfache und bestehende Grundsicherung ist. Zudem läuft aktuell noch bis März 2022 die „Europäische BürgerInitiative Bedingungslose Grundeinkommen in der gesamten EU“ (ebi-grundeinkommen.de). Beides stellen gute Windows of Opportunity dar, um mit einfachen Mitteln und wenig Aufwand den BDKJ hier gut positionieren zu können.