Veranstaltung: | BDKJ-Hauptausschuss September 2021 |
---|---|
Antragsteller*in: | Michaela Brönner |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 25.06.2021, 08:41 |
5.2: ERKLÄRUNG ZUM THEMA IMPFEN GEGEN DAS CORONAVIRUS SARS-COV-2
Antragstext
Antragstext
Bis zum Herbst soll in Deutschland jede*r ein Impfangebot erhalten, so
Bundeskanzlerin Angela Merkel Anfang des Jahres. Für viele Menschen in anderen
Ländern weltweit ist derweil allerdings noch offen, wann sie überhaupt die
Möglichkeit zur Impfung erhalten werden. Hinzukommt, dass immer mehr
Gesundheitssysteme den steigenden Infektionszahlen nicht standhalten können.
Wir stellen darum fest: In dieser Zeit ist jede*r Einzelne gefragt, sich
solidarisch zu zeigen.
Weiter ist klar: Das Virus kennt keine Grenzen und betrifft die
Weltgemeinschaft. Deutschland und die Europäische Union müssen sich ihrer
globalen Verantwortung bewusst sein.
Wir schützen unsere Gemeinschaft
Es ist ganz klar: Die Impfung gegen das Corona-Virus ist freiwillig und soll es
auch sein und bleiben. Sich impfen zu lassen, wenn die Möglichkeit dazu besteht
und die entsprechende Empfehlung ausgesprochen ist, ist jedoch auch ein Zeichen
der Solidarität gegenüber besonders vulnerablen Gruppen.
Aufgrund chronischer Krankheiten, Allergien oder weil sie zu jung sind, können
sich manche Menschen beispielsweise nicht impfen lassen. Ein Infektionsschutz
besteht für sie nur dann, wenn sie sich in ihrem Umfeld nicht anstecken
können. Sich impfen zu lassen, schützt also nicht nur sich selbst, sondern
trägt gleichzeitig zum Schutz der Gemeinschaft bei. Am Ende werden es vor allem
Impfungen sein, die es uns ermöglichen, die Beschränkungen des Alltags, die
wir seit Pandemiebeginn erleben, wieder vollständig aufheben zu können. Denn
erst wenn ein Großteil der Menschen in unserer Gesellschaft geimpft ist,
können die Infektionswellen gestoppt und die Krankheit bekämpft werden. Bis
dahin gilt es einen verantwortlichen Umgang miteinander zu halten und nur
vorsichtig und durchdacht weiterzuentwickeln.
Wir appellieren an die Solidarität jedes
Menschen und in der globalen Staatengemeinschaft
Wir fordern deshalb: Ein Impfstoff muss unabhängig von Wohlstand und Wohnort
allen Menschen dieser Welt gleichermaßen und zu bezahlbaren Preisen zur
Verfügung stehen. Wir sehen es als unsere moralische Pflicht an, dass wir uns
für all jene Menschen überall auf diesem Planeten stark machen, die von keinem
umfangreich ausgestatteten Gesundheitssystem aufgefangen werden.
Reiche Länder stehen in der besonderen Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass
die Verfügbarkeit, die Verteilung und die Qualität des Impfstoffs nicht an den
Reichtum von Staaten oder Personen gebunden ist. Dabei darf es nicht nur um die
Prinzipien der Wirtschaft gehen, weshalb auch international koordinierte
staatliche Maßnahmen verfolgt werden müssen, um zu Gunsten des Wohlergehens
der Menschen regulierend einzugreifen.
Der BDKJ unterstützt das Ziel der COVAX-Initiative [2]. Mit diesem von der WHO
koordinierten Mechanismus soll ein gerechter Zugang zu einem COVID-19-Impfstoff
für Millionen von Menschen in ärmeren Ländern ermöglicht werden. Damit
dieses auch erreicht werden kann, muss das Programm mit ausreichenden
finanziellen Mitteln ausgestattet werden und ein ausreichender Zugang zu den
Impfstoffen ermöglicht werden.
Bei der Verteilung der zur Verfügung stehenden Impfstoffdosen muss der
Impfnationalismus der reichen Länder aufhören. Europa muss seine globale
Verantwortung transparent und dauerhaft wahrnehmen und gerade jetzt in der
COVAX-Initiative verstärken. Exportkontrollen für in der EU produzierten
Impfstoff dürfen COVAX deshalb nicht betreffen.
Diese Pandemie ist eine globale Herausforderung, in der die Weltgemeinschaft zu
zeigen hat, dass wir überall auf der Welt füreinander einstehen. Das bedeutet
auch, die Partnerländer bei der Aufrechterhaltung bzw. Verbesserung der
Regelversorgung im Gesundheitswesen zu unterstützen. Die im Juni 2021
beschlossene Spende der G-7-Staaten von einer Milliarde Impfdosen an ärmere
Länder ist ermutigend, gleichzeitig aber nicht genug. Die WHO hält mindestens
8 Milliarden Impfdosen für notwendig, um eine Herdenimmunität in Ländern mit
niedrigem und mittlerem Einkommen zu erreichen.[3]
Um zügig ausreichend Impfstoff bereitzustellen, müssen auch die
Produktionskapazitäten ausgeweitet werden. Hierfür ist der Verzicht auf
geistige Eigentumsrechte und ein Technologietransfer an Covid-19-Produkten ein
wichtiges Instrument. Ein entsprechendes Abkommen der Welthandelsorganisation
würde die Wettbewerbsbedingungen angleichen und den Ländern mehr Einfluss in
ihren Gesprächen mit Unternehmen geben. [4]
In dieser besonderen Situation halten wir die Freigabe von Patenten für
sinnvoll und geboten. [1]
Eine Pandemie ist kein Wettbewerb zwischen Unternehmen, sondern ein Wettlauf
zwischen der Menschheit und einem Virus. Anstatt zu konkurrieren, müssen
Individuen, Länder und Unternehmen alles tun, um zusammenzuarbeiten, um so die
Pandemie zu beenden. [5]
Wir rufen deshalb alle politisch Verantwortlichen in der Bundesregierung und der
EU, insbesondere der EU–Kommission auf, Covid-19-Impfstoffe und andere
wichtige Produkte zur Bekämpfung der Pandemie zu einem globalen öffentlichen
Gut zu erklären. Es sollen alle nötigen Schritte unternommen werden, alle
derzeit ungenutzten Produktionskapazitäten - vor allem in ärmeren Ländern -
so schnell wie möglich zu nutzen.
Denn eine intelligente Aussetzung der handelsrechtlichen Regeln für geistiges
Eigentum, gekoppelt mit einem Technologietransfer zur Unterstützung einer
effektiven Produktion so nah am lokalen Bedarf wie möglich, wird zu
nachhaltigeren Lösungen beitragen, um den Zugang zu Impfstoffen zu
gewährleisten und die globale Gesundheitskrise einzudämmen.
Dies ist somit ein Gebot christlicher Nächstenliebe, menschlicher Solidarität
ebenso wie rationalen Eigennutzes.
Die europäische und deutsche Politik darf sich nicht darauf beschränken, die
Virusverbreitung nur im Inland zu verhindern. Denn das Virus kennt keine
Landesgrenzen.
Es braucht deshalb deutlich mehr Einsatz der reichen Länder und eine
unmittelbare Weitergabe von Impfstoffen, um zu verhindern, dass sich neue und
gefährlichere Virusvarianten entwickeln und weitere Corona-Ausbrüche weltweite
Lieferketten unterbrechen könnten.
Wir appellieren an alle Menschen mit Zugang zu Impfstoff: Zeigt euch solidarisch
und lasst euch impfen! Und an unsere Repräsentant*innen in der globalen
Staatengemeinschaft appellieren wir: Die Impfmittel müssen global gerecht
verteilt werden. Es darf keinen „Impfnationalismus“ oder gar
„Impfimperialismus“ bei der Beschaffung und Verteilung der Impfmittel geben.
[1] Weitere Informationen dazu in der ARD-Doku:
https://www.youtube.com/watch?v=SJ7sr7ssVU8 oder Tagesspiegel
[4] https://www.nytimes.com/2021/04/22/opinion/who-covid-vaccines.html,
Tedros Adhanom Ghebreyesus: I Run the W.H.O., and I Know That Rich Countries
Must Make a Choice, Zugriff: 17. Juni, 2021. Übersetzt mit deepl.com
[5]https://doi.org/10.1038/d41586-021-00863-w, Zugriff 16.Juni 2021.
Begründung
Begründung
Die Pandemie wird uns noch länger begleiten. Um wieder ein Leben in Gemeinschaft und mehr Miteinander gestalten zu können, ist es wichtig, dass wir solidarisch sind und an das Gemeinwohl denken. Das bedeutet auch, ein Impfangebot wahrzunehmen, wenn man die Möglichkeit dazu hat und die wissenschaftliche Empfehlung besteht. Bei den ständigen Debatten um den Impfstoff dürfen wir aber die Weltgemeinschaft nicht aus den Augen verlieren und nur den Blick auf die innerdeutsche und europäische Verteilung haben. Die Verteilung über die Covax Facilities muss unterstützt und transparent dargestellt werden.
Die schleppende Einführung von Impfungen im Globalen Süden droht auch die Bemühungen zu untergraben, neue Virusmutationen zu verhindern, was auch die reicheren Länder der Gefahr neuer Varianten aussetzt.
Eine Möglichkeit schnell Produktionskapazitäten aufzubauen ist die freiwillige Lizenzierung mit Technologietransfer, wie dies einige Unternehmen auf bilateraler Basis getan haben. Diese Vereinbarungen sind meist exklusiv und intransparent. Sinnvoller erscheint die gemeinsame Nutzung von Lizenzen durch Unternehmen im Rahmen eines global koordinierten Mechanismus, wie dem Covid-19 Technology Access Pool, welchen die WHO letztes Jahr ins Leben gerufen hat.[6]
Eine weitere Möglichkeit ist der Verzicht auf geistige Eigentumsrechte an Covid-19-Produkten, wie es Südafrika und Indien vorgeschlagen haben. Ein entsprechendes Abkommen der Welthandelsorganisation würde die Wettbewerbsbedingungen angleichen und den Ländern mehr Einfluss in ihren Gesprächen mit Unternehmen geben. [6]
Derzeit wird in der Welthandelsorganisation (WHO) über diese vorübergehende Ausnahme oder Befreiung von geistigen Eigentumsrechten diskutiert, um die Erschwinglichkeit und den Zugang zu COVID-19-Impfstoffen zu verbessern. Diese Diskussion verdient besondere Aufmerksamkeit, da langfristige Lösungen für einen nachhaltigen Zugang zu COVID-19-Impfstoffen gefunden werden müssen, die den bestehenden ungedeckten Bedarf decken.
Dieser Vorschlag hat nicht nur breite Unterstützung in der Bevölkerung, sondern auch von mehreren ehemaligen Regierungschefs, der Weltgesundheitsorganisation, UN-Menschenrechtsexperten, UNITAID und UNAIDS.
Patente waren nie für den Einsatz bei globalen Notfällen wie Kriegen oder Pandemien gedacht. Ein Patent belohnt Erfinder*innen, indem es ihre Erfindungen für eine begrenzte Zeit vor unlauterem Wettbewerb schützt. Es geht in dieser Pandemie aber darum Menschenleben zu retten