Veranstaltung: | BDKJ-Hauptversammlung 2021 |
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Status: | Beschluss (vorläufig) |
Beschlossen am: | 09.05.2021 |
Basierend auf: | 6.16: Anerkennung, Wertschätzung, Segnung. Für einen neuen Umgang mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen |
Anerkennung, Wertschätzung, Segnung. Für einen neuen Umgang mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen
Beschlusstext
Die Aussagen der Glaubenskongregation vom 15. März 2021 zur angeblichen
Unmöglichkeit, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen, haben noch einmal in
aller Klarheit gezeigt, dass die Glaubenskongregation in ihren Urteilen nicht
mit den Überzeugungen weiter Teile unserer Ortskircheübereinstimmen. Die
Glaubenskongregation fasst an dieser Stelle nicht zusammen, was ein großer
Anteil an Katholik*innen glaubt, sondern vertritt ein
Menschen-, Welt- und Gottesbild, dass weder jesuanisch noch zeitgemäß ist. Es
zeigt deutlich, wie sehr sich die Kirchenleitung von der heutigen Lebenswelt
entfernt hat – nicht umgekehrt! Die Glaubenskongregation stellt Behauptungen
über das Wesen des Menschen und Gottes Plan für die Menschheit auf, die vor
der Vernunft und den Erkenntnissen der Human- und Naturwissenschaften nicht zu
rechtfertigen sind. Damit verlangt sie einen Glaubensgehorsam ohne innere
Einsicht. Wir weisen diese Forderung aus Gewissensgründen entschieden zurück.
Wir wissen um den unterschiedlichen Stand des Themas in den deutschen (Erz-)
Diözesen. Während wenige deutsche (Erz-) Bistümer bereits wichtige und gute
Maßnahmen gegen die vorherrschende Diskriminierung gleichgeschlechtlich-
liebender Menschen ergriffen haben, wird dem Thema in anderen Bistümern noch
gar keine Beachtung geschenkt. Die bereits gegangenen Schritte werden durch die
Aussagen der Glaubenskongregation als unvereinbar mit der Lehre der Kirche
abgeurteilt, vorsichtigen Öffnungen wird ein Riegel vorgeschoben, Bistümer, in
denen LGBTIQ*-Personen und ihre Beziehungen unverändert Abwertung und
Ausgrenzung erfahren, werden bestätigt.
In den katholischen Kinder- und Jugendverbänden verbindet uns die Überzeugung,
dass jeder Mensch mit seiner Liebesfähigkeit von Gott geliebt und mit der
gleichen Würde beschenkt ist. Jeder Mensch, mit seiner eigenen Art zu lieben,
ist ein Widerschein Gottes.Uns verbindet die Überzeugung, dass Gott das Heil
für jeden Menschen will. Uns verbindet die Überzeugung, dass eine respekt- und
liebevolle Beziehung immer Ausdruck von Leben ist, das Gott uns schenkt, egal,
welches Geschlecht die Partner*innen haben. Die gelebte Vielfalt der Verbände
und ihrer Mitglieder und noch mehr die zahlreichen LGBTIQ*-Personen, die sich in
unseren Verbänden engagieren und selbstverständlich gleichgestellt sind,
verleihen diesen Überzeugungen Ausdruck.
Wir sind überzeugt davon, dass ein Segen keine Disziplinarmaßnahme ist und
dass er nicht verweigert werden darf und kann, weil der Segen von Gott kommt und
nicht von der Kirche oder den Menschen, die ihn vermitteln. Der Segen sagt
denen, die ihn empfangen, die unverbrüchliche Treue Gottes zum Leben in
seiner*ihrer Schöpfung zu. Diese Zusage ist mehr als ein frommer Wunsch, denn
in dieser Zusage an Menschen und ihre Beziehungen verwirklicht sich die Treue
Gottes. Sie zu verweigern, wie die Glaubenskongregation es verlangt, verzerrt
und entstellt die Botschaft Jesu in dieser Welt. Die Verweigerung ist
verletzend, sie fügt Schmerz zu und entfremdet Menschen vom Glauben an Gottes
Liebe und Treue, mindestens aber von der katholischen Kirche.
Wir fordern darum von unserer Kirche und allen ihren Amtsträgern, dass der
Segen keinem Paar, das um ihn bittet, verweigert wird. Paare, die bei uns um
Segen bitten, werden diesen bei uns erhalten. Wir erwarten von unserer Kirche,
dass Segenspendende nicht sanktioniert werden.
Angesichts der Glaubensüberzeugung, dass sich beim Ehesakrament die
Ehepartner*innen gegenseitig das Sakrament spenden, halten wir eine Segnung
gleichgeschlechtlicher Partnerschaften nur für einen ersten Schritt. Eine
breitere sakramententheologische Reflexion von Partnerschaften und
Liebesbeziehungen mit dem Ziel, jede Diskriminierung aufgrund der sexuellen
Orientierung zu überwinden, ist unser übergeordnetes Anliegen.
Den Ortskirchen steht die Möglichkeit offen, in Einzelfragen eigene Wege zu
gehen (vgl. z.B. EG 16). Die Entscheidungsträger der Kirche müssen dabei die
Stimme des gesamten Volkes Gottes* in ihrem Verantwortungsbereich und sein
Gespür für existentielle Wahrheiten (sensus fidei fidelium) ernstnehmen –
und diese Stimme war in den Reaktionen auf die Äußerung der
Glaubenskongregation deutlich zu hören. Es waren sowohl Lai*innen, als auch
Geweihte, die deutlich protestiert haben. Sie bringen ins Wort, was viele
denken, aber vor Angst vor Konsequenzen nicht äußern: Unbarmherzigkeit,
Ausgrenzung und tiefe Verwundungen können nicht im Sinne Jesu sein.
Als Teil des ordentlichen Lehramts ist es nicht nur Aufgabe der Bischöfe,
Entscheidungen des Papstes und der Konzilien in ihre Diözesen zu tragen,
sondern auch umgekehrt auf die Äußerungen des Glaubenssinns der Gläubigen zu
hören und diese in die Weltkirche zu tragen. Wir fordern von unseren Bischöfen
ein, sich im Rahmen des Synodalen Weges für eine gemeinsame Erklärung stark zu
machen und den Stimmen ihrer Gläubigen im Kollegium der Bischöfe Gehör zu
verschaffen. Wir fordern jeden einzelnen von unseren Bischöfen auf, den bereits
genannten ersten Schritt mit den Gläubigen in ihren Bistümern zu gehen: eine
sichtbare Pastoral für gleichgeschlechtlich Liebende in ihren Bistümern zu
etablieren und einen Segensritus für gleichgeschlechtliche Beziehungen in ihren
Diözesen einzuführen.
In der breiten Auseinandersetzung, die gerade innerhalb unserer Kirche geführt
wird, sprechen wir für eine Generation, die die Diskriminierung von Menschen
aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nicht mehr mittragen kann und will. Wir
verpflichten uns darum, auf unseren jeweiligen Diözesan- oder Kontaktbischof
zuzugehen und diese Anliegen vorzutragen. Wir rufen alle Katholik*innen auf,
sich uns dabei anzuschließen.