Veranstaltung: | BDKJ-Hauptversammlung 2021 |
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Status: | Beschluss (vorläufig) |
Beschlossen am: | 09.05.2021 |
Basierend auf: | 6.7: Klimagerechtigkeit jetzt! Wir fordern globale Gerechtigkeit! |
Klimagerechtigkeit jetzt! Wir fordern globale Gerechtigkeit!
Beschlusstext
Die Klimakrise ist eine globale Krise und betrifft uns alle. Menschen im
Globalen Süden sind schon jetzt besonders von den Folgen der Klimakrise
betroffen: Überschwemmungen, Hitzewellen und Dürreperioden zerstören ihre
Lebensgrundlage. Jene, die am wenigsten zum menschengemachten Klimawandel
beitragen, sind diejenigen, die bereits jetzt am stärksten unter den Folgen
leiden und in Zukunft am stärksten von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen
sein werden.
Als Mitglieder der katholischen Jugendverbände verstehen wir uns als
Weltbürger*innen und setzen uns in unseren internationalen Partnerschaften
sowie darüber hinaus für gerechte und zukunftsfähige Lebensverhältnisse für
alle Menschen ein.
Wir stehen ein für die Umsetzung der mit der Agenda 2030 beschlossenen
nachhaltigen Entwicklungsziele und folgen dem Auftrag von Papst Franziskus, der
uns in seiner Enzyklika „Laudato si‘“[Fußnote: Papst Franziskus (2015)
Laudato si’. Über die Sorge für das gemeinsame Haus.] dazu aufruft, die
Bewahrung der Schöpfung ernst zu nehmen und aktiv für unseren Planeten
einzutreten.
Die Klimakrise ist eine Frage der Gerechtigkeit
Der Klimawandel hat nicht nur zerstörerische Auswirkungen auf die Umwelt,
sondern führt zusätzlich zu sozialer Ungerechtigkeit: Er nimmt enormen
Einfluss auf die Achtung der Menschenrechte, verstärkt soziale Ungerechtigkeit
und wird gleichzeitig durch soziale Ungleichheiten vorangetrieben.[Fußnote:
vgl. https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/themen/klima-und-
nachhaltigkeit]
Klimagerechtigkeit bedeutet für uns, dass jeder Mensch das gleiche Recht hat,
die Atomsphäre zu nutzen, ohne sie dabei zu belasten. Die Lebensgrundlage auf
der Erde darf nicht durch den globalen Temperaturanstieg und die daraus
resultierenden Folgen in Gefahr gebracht werden. Dies gilt für die jetzige sowie
auch für zukünftige Generationen. Wir setzen uns deshalb für den Erhalt der
Lebensgrundlage aller Menschen weltweit und die Bewahrung der Schöpfung ein.
Gemeinsame, aber unterschiedliche Verantwortung
Zu den wesentlichen Ursachen der Klimakrise gehört der Wirtschafts- und
Lebensstil in den Ländern des Globalen Nordens und der Eliten in Ländern des
Globalen Südens. Aus der Nutzung von Ressourcen ist der Wohlstand des Globalen
Norden entstanden. Daraus entsteht Verantwortung. Um gutes Leben für Alle
weltweit zu ermöglichen, dürfen jetzt keine Kosten und Mühen gescheut werden,
denn die Folgen des Klimawandels sind weitaus größer als eine Politik des
Nicht-Handelns.
Wir fordern Klimagerechtigkeit und setzen uns dafür ein, dass diejenigen, die
den Klimawandel verursacht haben, in besonderer Verantwortung für den
Klimaschutz aktiv werden. Im Pariser Klimaschutzabkommen ist das Prinzip der
gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung festgehalten: Alle Staaten
tragen die Verantwortung, die Klimakrise zu bekämpfen. Die Verantwortung und
dementsprechend die Lastenverteilung müssen aber unterschiedlich gewichtet
werden. Dieses Prinzip nimmt die Verursacher*innen in die Pflicht, sich für die
Begrenzung der Folgen des Klimawandels einzusetzen und andere Länder im Einsatz
gegen den Klimawandel zu unterstützen. Staaten, die historisch für viele
Emissionen verantwortlich sind, müssen nun Verantwortung übernehmen.
Emissionsverursachende Staaten tragen besondere Pflichten und dürfen nicht durch
Schlupflöcher ihre Emissionen in ärmere Produktionsländer exportieren und
dadurch CO2-Kolonialismus betreiben.
Deutschland liegt aktuell weltweit in der Top 10 der Länder mit dem jährlich
größten CO2-Ausstoß.[1] und hat einen enorm hohen Emissionswerte mit 8,4
T/Person[2] . Deutschland trägt eine besondere Verantwortung, denn historisch
betrachtet, ist es für 7,3% der akkumulierten Emissionen[3] verantwortlich und
liegt somit auf Platz 4. Das bedeutet, dass Deutschland für einen
Temperaturanstieg von 0,033 Grad Celsius verantwortlich[4] ist und wir 3 Erden
bräuchten, wenn die ganze Welt, wie Deutschland leben würde.[5]
Aus hohen Emissionsausstößen folgt höhere Verantwortung. Diese besteht darin,
Folgen durch Anpassungsmaßnahmen weltweit zu begrenzen. Zudem muss klar
Verantwortung für bereits entstandene und nicht mehr abwendbare Folgen getragen
werden. Außerdem müssen die eigenen Emissionen drastisch reduziert werden.
Um Klimaschutzmaßnahmen sowohl im Bereich der Anpassung an den Klimawandel, als
auch an die Reduzierung von Emissionen voranzutreiben hat sich die weltweite
Staatengemeinschaft dazu verpflichtet ökonomisch ärmere Länder durch
Klimafinanzierung zu unterstützen. Ob das Finanzversprechen von 100-Milliarden
Dollar bis 2020 erfüllt wurde, ist bisher unklar. Dieses Ziel ist als nicht
ausreichend zu bewerten und muss zukünftig erhöht werden [6]. Zudem ist die
gewählte Finanzierungsart der Kredite zu hinterfragen, denn dies verschiebt das
Problem der Finanzierung nur in die Zukunft und bereits verschuldete Länder
müssen sich noch mehr verschulden. Schuldenbelastete Länder werden durch
Ausgaben für den Klimaschutz sowohl im Anpassungs-, wie auch
Reduzierungsbereich weiter belastet. Zudem sind viele der Staaten, die bereits
jetzt die Folgen der Klimakrise spüren, bzw. nicht mehr abwendbare Folgen
erfahren müssen, tief verschuldet[7].
Im Bereich der Klimakrise besteht mittlerweile ein großer Wissensschatz an
Szenarien und Folgenforschung. Da durch den Anstieg der globalen
Durchschnittstemperatur Extremwettersituationen zunehmen[8], kann die
Zusammenarbeit mit der Krisenpräventionsforschung hilfreich sein. Mögliche
Risiken, die bereits abgeschätzt werden können, gilt es einzudämmen oder
abzuwenden. Prävention und antizipatives Handeln[9] können Menschenleben retten
und mindern die Kosten für klimabedingte Schäden und Verluste. Hierfür fehlen
bisher dementsprechende Strukturen zur Umsetzung.
Klimabedingte Schäden und Verluste haben bisher kein eigenes Budget. Stattdessen
werden Maßnahmen des Klimaschutzes meist als Teil der Entwicklungspolitik oder
humanitären Hilfe gezählt. Erst durch eine Abgrenzung klimabedingter Schäden und
Verluste und Maßnahmen des Klimaschutzes von Entwicklungszusammenarbeit und
humanitärer Hilfe, wird wirklich Verantwortung durch Pflichtwahrnehmung
übernommen. Dafür müssen eigene Strukturen und Budgets geschaffen werden und
nicht die bereits bestehenden und meist sehr kleinen Budgets zusätzlich belastet
werden.
Klimapolitik ist geprägt von Machtstrukturen. Am Verhandlungstisch müssen
jedoch alle Länder mit einbezogen werden, denn nur als Weltgemeinschaft lässt
sich die globale Klimakrise bekämpfen. Es gilt Verantwortung zu übernehmen
für eine gleichberechtigte Teilnahme an den Verhandlungen und eine
machtkritische Perspektive der Verhandler*innen einzunehmen. Länder, welche die
Finanzierung von Delegationen und Expert*innen nicht selbst tragen können,
müssen durch Finanzierung und Kapazitätsausbau gefördert werden. Wir müssen
Verantwortung übernehmen, dass Klimaschutz inklusiv stattfindet und somit das
Vertrauen in Multilateralismus und den gemeinsamen Prozess gestärkt wird.
Jedes Grad zählt!
Im Pariser Klimaabkommen hat sich die Weltgemeinschaft dazu verpflichtet, das
2°C -Ziel zu erreichen und wenn möglich sogar das 1,5°C-Ziel gegenüber der
vorindustriellen Zeit.[10] Laut Weltklimarat IPCC werden sich schon bei einer
globalen Erhitzung von mehr als 1,5 Grad Celsius viele Klimarisiken drastisch
verschärfen mit potenziell irreversiblen Auswirkungen auf viele Ökosysteme, die
Stabilität des Klimasystems und die gesamte Menschheit.[11] Die momentanen
politischen Bemühungen führen jedoch zu einer Erderwärmung von 2,1-3,9 °C.[12]
Mit jedem Zehntelgrad Erderwärmung sind die Auswirkungen auf die
Lebensbedingungen der Menschen weltweit spürbar und gefährliche Kipppunkte und
unkontrollierbare Kettenreaktionen könnten erreicht werden.[13] Bereits jetzt
sind vermehrte Dürren und Extremwetterereignisse, die vor allem die arme
Bevölkerung der Welt betreffen, keine Seltenheit mehr und der Klimawandel für
Menschen im globalen Süden lebensbedrohend. Dies fordert eine ambitionierte
Klimapolitik, die Verantwortung gegenüber allen Menschen weltweit übernimmt und
lebensnotwendige Schadensbegrenzung vorantreibt.
Jetzt ist die Zeit zum Handeln!
Als Christ*innen haben wir den Auftrag, die Schöpfung zu bewahren und uns für
globale Gerechtigkeit einzusetzen.
Diesen Anspruch haben wir an uns selbst, an die Verantwortungsträger*innen in
der katholischen Kirche in Deutschland und an Politiker*innen
Deshalb fordern wir von der Politik:
- Die Bundesregierung muss sicherstellen, dass Deutschland auf nationaler
sowie auf internationaler Ebene seinen Beitrag leistet, das 1,5°C-Ziel zu
erreichen. National bedeutet dies durch ambitionierte Maßnahmen in allen
Sektoren die Emissionen zu senken und sich europa- und weltweit für
starke Klimaziele einzusetzen. Deutschland und die EU können und müssen
im Klimaschutz weltweite Vorreiter*innen werden. Mögliche Schritte auf
dem Weg dahin sind etwa ein deutlich höherer CO2 Preis im europäischen
Emissionshandel, eine erweitere CO2-Bepreisung in bisher nicht abgedeckten
Sektoren und eine deutliche Ambitionssteigerung im Zuge der europäischen
Nationally Determined Contributions.
- Die Klimakrise und die Coronakrise treffen die Ärmsten auf der Welt
besonders hart. Deutschland muss Länder des Globalen Südens finanziell und
durch Kapazitätsaufbau dabei unterstützen, die Folgen der Klimakrise zu
bewältigen und klimaneutral zu handeln.
- Die Anpassung an den Klimawandel bedarf einer soliden Finanzierung:
Deutschlandmuss einen fairen Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung
leisten. Die zugesagten Mittel für Klimaschutz und Anpassung in den
wirtschaftlich ärmeren Ländern bereitzustellen, müssen erfüllt und weiter
ausgebaut werden. Die Mittel dürfen nicht auf Kosten der allgemeinen
Entwicklungsfinanzierung oder der humanitären Hilfen gehen.
- Klimabedingte Schäden und Verluste müssen gemeinsam finanziert werden. Die
betroffenen Länder müssen durch die internationale Gemeinschaft finanziell
unterstützt werden. Wir fordern, dass Deutschland seine Verpflichtungen
gemäß dem Warschau-Mechanismus[14] vorantreibt und Mittel für eine
armutsorientierte Bekämpfung von Klimaschäden bereitstellt.
- Klimagerechtigkeit braucht Entschuldung. Hochverschuldete Länder im
globalen Süden geraten durch Schäden, die durch den Klimawandel entstehen,
noch tiefer in eine Schuldenfalle. Mit jeder Schuldenrückzahlung an
Gläubiger verlieren die Staaten Geld, welches sie für Nothilfe und
Wiederaufbau dringend benötigen. Die Bundesregierung soll sich deshalb im
Rahmen der Klimakonferenzen, bei den Vereinten Nationen sowie im
Internationalen Währungsfonds dafür einsetzen, Entschuldungsoptionen für
Länder zu schaffen, die besonders vom Klimawandel betroffen sind.
- Nur gemeinsam können wir uns der Klimakrise und der Zukunft stellen:
Deshalb fordern wir von der Bundesregierung ein Eintreten für
multinationale Ansätze.
- Die Flucht vor den Folgen der Klimakrise muss als Fluchtursache t
anerkannt werden. Wir fordern die Bundesregierung auf, die direkten Folgen
des Klimawandels, wie etwa den Anstieg des Meeresspiegels oder extreme
Wetterereignisse, als Fluchtgrund im Rahmen von Asylverfahren
anzuerkennen, wo sie die Lebensgrundlage von Asylsuchenden nachweislich
bedrohen und daher eine Rückkehr ins Herkunftsland ausgeschlossen ist.
Dafür ist ein Kriterienkatalog zu entwickeln. Dabei ist eine enge
Zusammenarbeit mit der Europäischen Union zwingend notwendig. Denn nur
eine gesamteuropäische Reform der Asylpolitik kann zu einer nachhaltigen
und menschenwürdigen Lösung führen.
Weiterhin fordern wir von den kirchlichen Verantwortungsträger*innen:
- Kirche muss ihre Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung wahr und
ernst nehmen. Aus dem Aspekt der Klimagerechtigkeit erfolgt ein besonderer
Auftrag, sich mit den bereits jetzt am meisten vom Klimawandel betroffenen
Menschen im Globalen Süden zu solidarisieren und diese zu unterstützen.
- Wir fordern von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der
deutschen Katholiken, die Dringlichkeit des Klimaschutzes öffentlich zu
formulieren und diesen Standpunkt in den politischen und weltkirchlichen
Diskurs einzubringen. Der Betrieb kirchlicher Institutionen muss bis zum
Jahr 2030 klimaneutral werden. Dazu müssen- die kirchlichen Gebäude klimaneutral umgerüstet werden
- Verbindliche Vorgaben für die Nutzer*innen kirchlicher
Landwirtschaftsflächen nach ökologischen Kriterien erlassen und
umgesetzt werden. - klare Beschaffungsregelungen für alle kirchlichen Einrichtungen
insbesondere im Bereich der Lebensmittel und Verbrauchsmaterialien
erlassen werden, die nachhaltigen, fairen und ökologischen
Kriterien entsprechen [Fußnote: Vergleiche Beschluss: „Jetzt
handeln – Schöpfung bewahren“
https://www.bdkj.de/fileadmin/bdkj/Dokumente/Beschluesse/5/5-
27_Jetzt_handeln_-_Schoepfung_bewahren.pdf] - Verbindliche Kriterien für Geldanlagen entwickelt werden, die sich
an sozialen und ökologischen Standards orientieren - die Engagierten auf Ortsebene befähigt werden, durch Informationen,
Vernetzungsmöglichkeiten und Beratung durch Unterstützung von
hauptamtlichen Entscheidungsträger*innen den Klimaschutz im
kirchlichen Leben weiter innovativ voranzutreiben.
Als Jugendverbände verpflichten wir uns selbst:
- Wir bringen die Forderungen zu einem klimagerechten Handeln in die
Politik, kirchliche Strukturen und die Gesellschaft auf allen Ebenen ein.
Hierzu wollen wir die Mitglieder in unseren Verbänden befähigen, selbst
sprachfähig zu sein,
- Wir, der BDKJ-Bundesverband, die BDKJ-Diözesanverbände und die
Bundesebenen der Jugendverbände, führen unsere Aktivitäten bis 2030
klimaneutral durch und gehen so mit gutem Beispiel voran. Diesen Appell
tragen wir in alle Ebenen unserer Verbände. Als Hilfestellung stellt der
Bundesverband geeignete Bildungsmaterialien zur Bilanzierungs- und CO²-
Fußabdrucksreduzierung zur Verfügung.
- Wir vernetzen wir uns untereinander und mit Akteuren des Klimaschutzes und
wirken in Bündnisse aktiv mit.
Quellen und Verweise
[1]
[9] Definition Antizipatives Handeln: “Vorausschauende humanitäre Hilfe
beinhaltet eine Vielzahl von Ansätzen und Instrumenten, die es ermöglichen,
bereits vor dem Einsetzen einer Krise aktiv zu werden. Diese Art der humanitären
Hilfe baut auf Frühwarnsysteme: Anhand von datenbasierten Vorhersagen und
Analysen werden Frühwarnungen für eskalierende Lagen getroffen. Ausgehend davon
werden konkrete, frühzeitige humanitäre Vorsorgemaßnahmen zur unmittelbaren
Risikoreduktion (“Early Actions”) ausgelöst. Damit humanitäre Hilfe
vorausschauend eingesetzt werden kann, ist es notwendig, Frühwarnmechanismen zu
fördern, die Leistungs- und Reaktionsfähigkeit von humanitären Akteuren zu
stärken und Finanzierungsmechanismen für vorausschauende humanitäre Hilfe zu
etablieren. (https://www.auswaertiges-
amt.de/de/aussenpolitik/themen/humanitaere-hilfe/huhi/205108)