Veranstaltung: | BDKJ-Hauptversammlung 2021 |
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Status: | Beschluss (vorläufig) |
Beschlossen am: | 09.05.2021 |
Basierend auf: | 6.11NEU2: Perspektiven schaffen und Zukunft sichern! Jugendverbandsarbeit in der Pandemie stärken |
Perspektiven schaffen und Zukunft sichern! Jugendverbandsarbeit in der Pandemie stärken
Beschlusstext
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene stehen aufgrund der Corona-Pandemie vor
außergewöhnlichen Herausforderungen. Persönliche Einschränkungen und
fehlende Zukunftsperspektiven sind für junge Menschen nicht nur aktuell ein
Problem, sondern wirken ein Leben lang nach. Es sind vielerorts junge Menschen,
die seit Beginn der Covid-19-Pandemie Verantwortung übernommen und durch ihre
Aktivitäten wertvolle Beiträge zum Gemeinwesen geleistet haben.
Überall in Deutschland, wo junge Menschen in der Kinder- und Jugendarbeit aktiv
sind, zeigt sich: sie lernen solidarisches Handeln und Verantwortung für sich
und andere zu übernehmen. Kinder- und Jugendarbeit ist ebenso Lernort für
Demokratie: Junge Menschen gestalten Entscheidungsprozesse, erleben
Selbstwirksamkeit und gestalten ihre Umwelt. Die überwiegend durch
ehrenamtliches Engagement getragene Kinder- und Jugendarbeit nimmt eine wichtige
Rolle in der Entwicklung junger Menschen ein und braucht daher vor allem während
und nach Krisenzeiten eine klare Perspektive!
In den katholischen Jugendverbänden handeln junge Menschen motiviert aus ihrem
Glauben heraus. Sie prägen damit auch das kirchliche Bild in der Pandemie. Sie
bieten spirituelle Räume, personelle seelsorgliche Angebote und tatkräftige
Unterstützung. Ihnen dabei die nötigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, muss
auch für unsere Kirche eine Selbstverständlichkeit sein.
Die katholischen Jugendverbände machen sich daher dafür stark, dass in der
Corona-Pandemie die Interessen und das Wohlergehen von Kindern, Jugendlichen und
jungen Erwachsenen in den Fokus gerückt wird. Sie können nicht nur auf ihre
Rolle als Schüler*innen, Auszubildende und Studierende reduziert werden. Die
Bedeutung von Kinder- und Jugendarbeit muss als gleichberechtigtes und
komplementäres Lern- und Entwicklungsfeld wahrgenommen und gefördert werden.
Als Kinder- und Jugendverbände gestalten wir unsere Angebote
verantwortungsbewusst und ermutigen alle Akteur*innen im Rahmen ihrer
Möglichkeiten und unter Wahrung aller notwendigen (Schutz-)Maßnahmen, ihre
Angebote breit und vielfältig zu gestalten, insofern die persönliche
Risikoabwägung, das aktuelle Pandemiegeschehen und die gesetzlichen Regelungen
dies zulassen.
Wir appellieren an die (kirchen-)politischen Entscheidungsträger*innen und an
alle Akteur*innen in Politik, Kirche und Zivilgesellschaft auf junge Menschen
zuzugehen, ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen und Begegnung und Beteiligung auf
Augenhöhe zu schaffen. Wir wenden uns mit folgenden Anliegen an die Zuständigen
in den (Erz-)Diözesen, in Bund, Ländern und Kommunen:
Freiräume zur Persönlichkeitsentwicklung sind nicht verhandelbar!
Während sich der bildungspolitische Diskurs überwiegend auf das Thema Schule
und die Frage nach Distanzunterricht und Lerndefizite bezieht, wird häufig
vergessen, dass Bildung mehr ist als Schule, Ausbildung und Studium. Doch gerade
vor dem Hintergrund der aktuellen Lebenssituation junger Menschen muss der Blick
dringend dahingehend geweitet werden, was junge Menschen über fachliche
Kompetenzen hinaus brauchen, um sich entwickeln und ihre Potenziale entfalten zu
können. Für uns als katholische Jugendverbände gehören dazu auch Angebote,
die junge Menschen bei ihrer Suche nach Spiritualität, der Auseinandersetzung
mit der eigenen Geschlechtsidentität, der Entwicklung ihres Wertegerüstes oder
der Beantwortung existenzieller Fragen begleiten. Für Jugend- und
Bildungspolitik in Zeiten von Corona bedeutet dies, auf die Bedürfnisse junger
Menschen einzugehen und in der Schule und vor allem außerhalb von Schule
Möglichkeiten zu eröffnen, damit junge Menschen Gemeinschaft erfahren und
selbstbestimmt Freiräume gestalten können.
Zur Ermöglichung der Jugendarbeit fordern wir:
- Die Möglichkeit, wenn Schulen wieder geöffnet werden, auch
verantwortungsvolle Konzepte zur Umsetzung der Jugendarbeit in ihrer
Eigenschaft als komplementärer Lern- und Entwicklungsort zur Schule
umgesetzt werden dürfen.
- Unentgeltliche Räume, die unter Wahrung der gebotenen Vorsichtsmaßnahmen
(Abstand, Hygiene, etc.), Angebote zur Umsetzung der Arbeit vor Ort in
Präsenz ermöglichen.
- Die Unterstützung der Verantwortlichen in der Kommunalpolitik und der
Pfarreien vor Ort, um Jugendräume und Einrichtungen der Jugendarbeit mit
den entsprechende Hygiene- und Schutzkonzepten nutzen zu können.
- Langfristige und flächendeckendere finanzielle und materielle Hilfesysteme
für Bildungs-, Tagungs- und Freizeiteinrichtungen, damit diese auch
zukünftig als Orte des verbandlichen Lebens zur Verfügung stehen können.
- Eine Test-Strategie, um die Organisation und Durchführung von Angeboten
der Kinder- und Jugendverbände sicherer zu gestalten. Dabei muss der
Einsatz von (Selbst-)Tests auch in aktuellen Förder-Programmen finanziell
bedacht und gefördert werden.
- Eine Impf-Strategie, die Kinder und Jugendliche als gleichwertige
Bürger*innen berücksichtigt.
- Mehr Ressourcen für die professionelle Begleitung und Beratungsangebote,
die jungen Menschen sowohl inhaltlich, seelsorglich und psychologisch zur
Seite stehen, damit diese auch unter den Belastungen der aktuellen
Situation ihr Engagement gut leisten und situationsgerecht handeln können.
- Anerkennung der digitalen Lebenswelten junger Menschen sowie eine
barrierearme Ermöglichung von Teilhabe und Kontakt insbesondere vor dem
Hintergrund des Datenschutzes bzw. der Einschränkung digitaler
Möglichkeiten bei Mitarbeiter*innen vor Ort.
- Schlüssige Konzepte und (hauptberufliche) Begleitung, damit auch für die
Zeit nach Corona Jugendarbeit möglich bleibt.
Jetzt kurzfristige Möglichkeiten für den Sommer 2021 schaffen!
Die bisherigen Öffnungsperspektiven ermöglichen derzeit keine Freizeiten oder
Veranstaltungen in den kommenden Sommermonaten. Ein weiterer Sommer ohne
Freizeitmöglichkeiten würde junge Menschen weiter schwächen, die bereits unter
dem mangelnden Kontakt zu Gleichaltrigen leiden. Die Kinder- und Jugendarbeit
muss darum als gleichwertig anerkannt werden. Das soziale Miteinander und die
dadurch entstehende persönliche Entwicklung werden mit pädagogischen
Freizeitmaßnahmen zielgerichtet gefördert und sind nicht ersetzbar.
Wir fordern für die Kinder- und Jugendarbeit
- Schaffung von Perspektiven für die Kinder- und Jugendarbeit, damit diese
u.a. Freizeitmöglichkeiten schaffen können, die an das Infektionsgeschehen
und die entsprechenden Landesverordnungen angemessen sind
- Schaffung von Rechtssicherheit für die Kinder- und Jugendarbeit bei
Anwendung der aktuell gültigen Corona-Verordnung
- Aktiven Haupt- und Ehrenamtlichen soll bereits vor Beginn der Sommerferien
ein Impfangebot gemacht werden, um die Kinder- und Jugendarbeit sicher zu
stellen.
- zeitnahe Unterstützung durch materielle und finanzielle Förderung von
Ferien- und Wochenendfreizeiten sowie Jugendbegegnungen und Angebote zur
Demokratiebildung durch das Aktionsprogramm Aufholen nach Corona für
Kinder und Jugendliche
Katholische Jugendverbandsarbeit ist demokratisch, politisch und systemrelevant!
Kinder- und Jugendarbeit hat den klaren Auftrag, Lernort für Demokratie und
aktiver Teil einer demokratisch organisierten Gesellschaft zu sein. Insofern
reichen die Aufgaben von Jugendarbeit weit über wichtige, außerschulische
Freizeitgestaltung hinaus. Gerade in einer Zeit, in der einerseits demokratische
Prozesse durch Einschränkungen im öffentlichen Leben erschwert sind und auf der
anderen Seite politische Strömungen erstarken, die offen den demokratisch
verfassten Staat in Frage stellen, muss Kinder- und Jugendarbeit als Ort
unterschiedlichster Aneignungs- und Gestaltungsprozesse gestärkt und gefördert
werden.
Vor allem aber sind junge Menschen die Generation, die in ihrem Leben die
Auswirkungen der jetzt getroffenen politischen Entscheidungen langfristig tragen
muss, und mehrheitlich dazu bereit, für sich und andere Verantwortung zu
übernehmen.
Zur Absicherung der Jugendverbandsarbeit fordern wir:
- Alle Verantwortungsträger*innen in Kirche, Zivilgesellschaft und Politik
sind dringend dazu aufgefordert, junge Menschen als politische
Akteur*innen wahr- und ernst zu nehmen. Die Beteiligung junger Menschen an
allen politischen Prozessen auf allen politischen Ebenen muss –
insbesondere auch in Zeiten der Pandemie- selbstverständlich sein.
- Selbstorganisierte Jugendarbeit, die Erfahrungs- und Reflexionsräume
bietet, ist dahingehend zu fördern, dass sie besonders in der Zeit der
Krise Diskurs, Partizipation und demokratische Selbstwirksamkeitserfahrung
ermöglicht.
- Jugendverbandsarbeit darf nicht Gegenstand von Sparmaßnahmen werden,
sondern ist durch verlässliche finanzielle und personelle Ausstattung als
bedeutsamer Lernort für Demokratie, Glaubens- und
Persönlichkeitsentwicklung auch nach der Pandemie konsequent abzusichern.
- Verlässliche Rahmenbedingungen für die Kinder- und Jugendverbandsarbeit in
Deutschland, dazu gehören für uns:- Eine zuverlässige und langfristig angelegte Finanzierung von
hauptberuflichem und hauptamtlichem Personal, die auch über das Jahr
2022 hinaus abgesichert werden muss. - Eine Förderung und Anerkennung von Freiräumen und ehrenamtlichem
Engagement sowie Freiwilligendiensten, insbesondere durch das
Aktionsprogramm Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche - Eine konsequente Umsetzung (auch im digitalen Raum) von
Qualifizierungsangebote für Engagierte auch in der aktuellen
Situation.
- Eine zuverlässige und langfristig angelegte Finanzierung von
Junge Menschen in den Blick nehmen!
Die Corona-Krise hat gezeigt, dass Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene
Freiräume, Kontakte und Perspektiven brauchen. Nicht nur im hier und jetzt,
sondern auch in Zukunft!
Für uns steht fest, dass nicht die Kinder und Jugendlichen für die Krise zahlen
dürfen, weder als Steuerzahler*innen von morgen, noch durch dramatische
Einschnitte, die unwiederbringliche Erfahrungen für die Kinder und Jugendlichen
verhindern. Bereits in der aktuellen Situation wird deutlich, dass insbesondere
Kinder stark eingeschränkt sind. Fehlende Möglichkeiten der digitalen Teilhabe,
Kinder- und Jugendarmut und mangelnde Bildungsgerechtigkeit verschärfen die
aktuelle Situation in ihrer Dramatik zusehends noch weiter: zwei von drei
Kindern fühlen sich zunehmend einsam und geben an, unter einem erhöhten
psychischen Druck zu leiden. Lediglich Schulöffnungen können hier keine Lösung
sein. Soziale Kontakte und zweckfreie Begegnungen mit Gleichaltrigen sind
relevant, um mit den Belastungen der Pandemie umgehen zu lernen. Kinder und
Jugendliche äußern, dass sie sich nicht wahr- oder ernstgenommen fühlen.
Zur Einbindung junger Menschen fordern wir:
- Die Wahrung der Kinderrechte gemäß der UN-Kinderrechtskonvention und die
Betrachtung junger Menschen als vollwertige Bürger*innen im Rahmen der
Pandemie-Maßnahmen in Deutschland.
- Weitere Maßnahmen der Pandemie-Bekämpfung in Deutschland und weltweit
müssen in langfristige und nachhaltige Strategien eingebunden sein und
dürfen nicht zu Lasten junger Generationen umgesetzt werden.
- Die Herausforderungen der digitalen Teilhabe, Kinder- und Jugendarmut und
Bildungsgerechtigkeit müssen konsequent angegangen und mit angemessenen
finanziellen Mitteln aus den aktuellen Aktionsprogrammen ausgestattet
werden.
- Die Absenkung des Wahlalters, um bereits jetzt eine Teilhabe junger
Menschen an entscheidenden politischen Prozessen zu ermöglichen, die sie
künftig betreffen.
Chancen und Perspektiven für die schulische und berufliche Ausbildung bieten!
Neben all den vorausgenannten Problemen steht das Bildungswesen in Deutschland
seit Beginn der Corona-Pandemie Kopf: Schulen, Berufsschulen und Universitäten
sind immer wieder geschlossen, Unterricht und Lehrveranstaltungen fallen aus und
Schüler*innen, Auszubildende und Student*innen erarbeiten sich Lern- und
Prüfungsinhalte selbstständig. Aufgrund der dynamischen Pandemie-Situation gibt
es in Bezug auf Lehr- und Prüfungsszenarien wenig Planungssicherheit.
Im Umgang mit den Herausforderungen der Corona-Pandemie haben sich die Schwächen
des föderalen Bildungssystems offenbart. Ebenso sind Berufsmessen, Schulbesuche
oder Tage der offenen Tür reihenweise ausgefallen. Und auch für junge Menschen
auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz ist die Situation zurzeit schwierig:
es stehen weniger Ausbildungsplätze zur Verfügung und Expert*innen befürchten,
dass Unternehmen, die noch bis vor kurzem dringend Auszubildende gesucht haben,
jetzt Ausbildungsplätze kürzen.
Für die Chancengleichheit und Schaffung von Zukunftsperspektiven für junge
Menschen fordern wir:
- Eine bessere Unterstützung von benachteiligten Kindern und Jugendlichen
sowie flexible Lösungen für die weitere Bildungslaufbahn der jungen
Menschen. So braucht es z.B. kleinere Klassen, um die Kinder angemessen
unterrichten zu können. Besonders junge Menschen mit Förderbedarf, für die
Homeschooling in derselben Form gar nicht stattfinden kann und die
besondere Unterstützung bedürfen, geraten in der öffentlichen Diskussion
häufig aus dem Blick.
- Die Entwicklung von krisensicheren Strukturen und Konzepten, um auch unter
besonderen Umständen Bildung für Kinder und Jugendliche gewährleisten zu
können.
- Die Ergreifung von jeglichen Maßnahmen, damit alle Ausbildungen
weitergeführt und beendet werden können, dazu bedarf es insbesondere
auch einen entsprechenden Ausbau und Absicherung der Jugendberufshilfe und
des Jugendwohnens.
- In den kommenden zwei Jahren einen massiven Ausbau staatlich geförderter
bürokratiearmer außerbetrieblicher Ausbildungsplätze, um zu verhindern,
dass es zu einer Lücke im Ausbildungsmarkt kommt. Angesichts ungewisser
wirtschaftlicher Aussichten besteht die Gefahr, dass in den nächsten
Jahren deutlich weniger Betriebe und Unternehmen ausbilden, als dies
bisher der Fall gewesen ist.
- Mehr direkte finanzielle Unterstützung für Studierende, die unkompliziert
und unbürokratisch zu erhalten sein muss. Diese dürfen dabei nicht zu
einer finanziellen Mehrbelastung für Studierende werden, sondern müssen
anstatt als Kredite als Zuschüsse gewährt werden. Bereits jetzt mussten
zehntausende Studierende persönliche Schulden aufnehmen oder staatliche
Hilfen beantragen, weil sie in der Krise plötzlich und unverschuldet in
finanzielle Schwierigkeiten gekommen sind.
- Eine ideelle, finanzielle und strukturelle Förderung von Angeboten im
Bereich der nationalen und internationalen Freiwilligendienste
insbesondere zur Orientierung junger Menschen.
- Die Coronakrise darf nicht zu einer Krise für die Zukunft junger Menschen
werden.
Gemeinsam handeln, weltweit!
Als junge Europäer*innen verstehen wir uns als Teil der Weltgemeinschaft, tragen
globale Verantwortung und wollen Krisen gemeinsam und international lösen. Die
katholischen Kinder- und Jugendverbände engagieren sich dabei nicht nur für eine
nachhaltige und gerechtere Welt, sondern auch für einen bunten und vielfältigen
Austausch zwischen Ländern, Organisationen und Mitgliedern unserer
internationalen Dachverbände.
Im Sinne unserer globalen Verantwortung fordern wir:
- Die weitere finanzielle, bürokratiearme Absicherung von bilateralen
Begegnungen und Zusammenarbeit auf europäischer Ebene, um die solidarische
Idee Europas weiter zu festigen und zu fördern.
- Weiterhin die Bereitstellung von Mitteln für den Weltfreiwilligendienst
und internationalen Begegnungen, um so wichtige Lern- und Austauschformate
weiterhin als Mittel der gelebten Solidarität zu erlauben
- Eine Strategie zur globalen Pandemiebekämpfung zu entwickeln und
umzusetzen sowie versprochene finanzielle Unterstützung für den
Gesundheitssektor der Länder des globalen Südens zu leisten.
- Ein stärkeres finanzielles und programmatisches Engagement zur Umsetzung
der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung