Veranstaltung: | BDKJ-Hauptversammlung 2022 |
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Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | HV |
Beschlossen am: | 07.05.2022 |
Basierend auf: | 6.6.1: Grundsatzantrag: Aufarbeitung im BDKJ - Faktoren erkennen, verändern, verhindern |
Grundsatzantrag: Aufarbeitung im BDKJ - Faktoren erkennen, verändern, verhindern
Beschlusstext
Die BDKJ-Hauptversammlung möge beschließen:
Mit Beschluss der HV 2020 „Einrichtung einer Kommission zur Aufarbeitung
sexualisierter Gewalt“ haben sich die Jugend- und Diözesanverbände dazu
verpflichtet, Aufarbeitung in ihren Strukturen anzugehen.
Mit dem Prozess der Aufarbeitung suchen wir in enger Anbindung an Betroffene und
mit wissenschaftlicher Begleitung nach Strukturen, Handlungsweisen, Haltungen
und verbandlichen Kulturen, welche in der kirchlichen Jugendverbandsarbeit
sexualisierte Gewalt begünstigen und Aufdeckung verhindert haben oder es immer
noch tun.
Unser Ziel ist es, hieraus konkrete Konsequenzen für unsere Arbeit mit Kindern
und Jugendlichen zu ziehen, damit diese in unseren Verbänden vor Übergriffen
geschützt sind. Die Perspektive und Anliegen von Betroffenen sollen dabei in den
Vordergrund gestellt werden.
Unser Aufarbeitungsprozess kann eine juristische Aufklärung von Straftaten oder
die individuelle Verarbeitung der vielfältigen Traumata Betroffener nicht
ersetzen. Wir bemühen uns darum, Wege aufzuzeigen, die das ermöglichen. Der
Schnittstellen und Abhängigkeiten einzelner Systeme sind wir uns bewusst.
Als BDKJ-Bundesverband verstehen wir uns als in Verantwortung, Aufarbeitung
anzugehen. Daher legen wir folgende Prozesse fest:
- Der BDKJ Bundesverband führt ein unabhängiges Forschungsprojekt durch.
Dabei sollen Missbrauchsfälle und Übergriffe sowie Pflichtverletzungen in
den verschiedenen Strukturen des BDKJ und der Jugendverbände fachlich
aufgearbeitet werden. Das Forschungsprojekt soll bis Ende des Jahres 2025
abgeschlossen sein. Die Ergebnisse des Projektes werden an den
Bundesvorstand übergeben und durch diesen entsprechend der Gesetzgebung
und auf Empfehlungen des Forschungskonsortiums veröffentlicht. Ein
entsprechender Antrag liegt der Hauptversammlung vor.
- Eine Aufarbeitungskommission des BDKJ wird ins Leben gerufen. Diese
arbeitet zeitgleich zum Forschungsprojekt und erstellt anhand der
Ergebnisse desselben Handlungsempfehlungen. Ein entsprechender Antrag legt
der Hauptversammlung vor.
- Der BDKJ Bundesverband richtet eine Clearingstelle in erster Linie für
Betroffene und betroffene Systeme ein. Aufgaben sind u.a. Identifizierung
des Anliegens, Informationen über den Aufarbeitungsprozess des BDKJ und
Vermittlung an relevante Stellen (Fachberatungsstellen,
Forschungskonsortium, Jugendverbände, diözesane Ansprechpartner*innen für
Aufarbeitung etc.).
- Als BDKJ Bundesverband und beteiligte Jugend- und Diözesanverbände
verpflichten wir uns zu einer aktiven Mitarbeit am gesamten Prozess sowie
dazu, aus den Ergebnissen des Forschungsprojektes und den Empfehlungen der
Aufarbeitungskommission des BDKJ Konsequenzen zu ziehen und Maßnahmen zu
ergreifen. Die Entscheidung über die Beteiligung am BDKJ-Prozess oder zu
einem eigenen Prozess liegt alleine bei den jeweiligen Jugend- und
Diözesanverbänden. Alle Jugend- und Diözesanverbände verpflichten sich
auf eine der beiden Möglichkeiten. Entscheiden sich Jugend- und
Diözesanverbände für eine Beteiligung am Prozess, wird diese
einzelvertraglich zwischen BDKJ Bundesstelle und den jeweiligen Jugend-
und Diözesanverbänden geschlossen. Im laufenden Prozess ist kein
Ausstieg mehr möglich.
- Der BDKJ-Bundesverband koordiniert die Öffentlichkeitsarbeit, erstellt
einen Handlungsleitfaden und unterstützt verbandliche Systeme in
strategischen Fragen zur Öffentlichkeitsarbeit.
- Der BDKJ-Bundesverband soll dem Ergänzendem Hilfesystem (EHS) des Bundes
beitreten. Hier wird ein gemeinschaftlicher Beitritt aller Jugend- und
Diözesanverbände des BDKJ-Bundesverband angestrebt, um allen Betroffenen
aus dem Umfeld des BDKJ diese Unterstützungsleistung zu ermöglichen.
Hierzu trifft der BDKJ-Bundesvorstand entsprechende Absprachen mit dem EHS
und dem VDD.
- Entscheiden sich Jugend- oder Diözesanverbände dazu, eigene
Aufarbeitungsprozesse durchzuführen, informieren sie den BDKJ-
Bundesvorstand kontinuierlich über die Struktur und den Fortgang ihrer
Aufarbeitungsprozesse. Diese eigenen Aufarbeitungsprozesse werden durch
den BDKJ Bundesverband bei Bedarf unterstützt, insbesondere durch
kirchen- und jugendpolitische Vertretungsarbeit.
Alle Prozesse werden unter Vorbehalt einer erfolgreich zustande kommenden
Finanzierung festgelegt. Sollte eine Finanzierung bis zu den Bundeskonferenzen
2022 nicht erfolgreich geklärt sein, wird der Bundesvorstand die Problematik
dort thematisieren. Die Finanzierung der Prozesse muss in jedem Fall ohne
Mehrbelastungen für nicht beteiligte Diözesan- und Jugendverbände umgesetzt
werden.
Begründung
In den zwei Jahren seit Konstituierung der Kommission wurde deutlich, dass der BDKJ über die Einsetzung einer Kommission hinaus einen wegweisenden, qualitativen Beschluss zum Aufarbeitungsprozess benötigt. Darin soll inhaltlich die Haltung und Zielsetzung verdeutlicht werden und nicht das operative Arbeiten. Dieser Antrag ist Ausgangspunkt für die weiteren Anträge aus der Kommission, um an der Aufarbeitung im BDKJ konkret zu arbeiten.
Ebenso wird es weiterführende Beschlüsse wie z.B. den einer strategischen Öffentlichkeitsarbeit geben. Diese müssen jetzt bereits benannt, können aber erst nach dem Forschungsprojekt, anhand der Ergebnisse getroffen werden.
Die Aufarbeitung innerhalb des BDKJ geht von den Betroffenen aus. Es geht uns nicht darum, Täter*innen zu identifizieren und bspw. Namen nennen zu können. Inwieweit diese Haltung verändert oder erweitert werden muss, wird sich aus dem Forschungsprojekt ergeben. Wir sehen hier eine Offenheit die Ausrichtung zu schärfen oder zu verändern. Bei dem Aufarbeitungsprozess arbeiten wir jedoch nicht im rechtsfreien Raum und müssen uns an den kirchenjuristischen Rahmen halten.
Die Finanzierung des Aufarbeitungsprozesses mit all seinen Facetten konnte bis zu Antragsschluss und ggf. bis zur HV 2022 noch nicht abschließend geklärt werden. Hierzu ist der BDKJ Bundesvorstand seit längerer Zeit in Gesprächen mit dem VDD und dem BMFSFJ. Ein außerordentlicher Projektantrag wurde beim VDD bereits gestellt, nach Antragsschluss fand ein weiteres Gespräch statt. Eine Sonderförderung durch das BMFSJ wurde nach Antragsstellung bereits abgelehnt, auch hier ist der BDKJ Bundesvorstand weiterhin im Gespräch. Wir halten eine Beschlussfassung der grundsätzlichen Ausrichtung und Zielsetzung unserer Aufarbeitung jedoch auch ohne Sicherstellung der Finanzierung für wichtig, damit direkt nach erfolgreicher Klärung der Frage losgelegt werden kann und die Wichtigkeit dieser Aufgabe deutlich aufgezeigt wird.
Für die Finanzierung der Leistungen des Ergänzenden Hilfesystems (EHS) sehen wir ebenfalls die Diözesen bzw. den VDD in der Verantwortung. Hier kann es aber auch sein, dass der VDD regelt, dass alternativ auf die diözesanen Strukturen und damit die Unabhängigen Aufarbeitungskommissionen (UAKs) zurückgegriffen werden muss. Wir würden allerdings die Finanzierung der EHS-Leistungen – also den Beitritt des BDKJ zum EHS - priorisieren, da dies weniger in der Kritik steht als die UAKs.