Veranstaltung: | BDKJ-Bundesfrauenkonferenz November 2020 |
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Status: | Beschluss (vorläufig) |
Beschlossen am: | 07.11.2020 |
Basierend auf: | A1: Care-Arbeit und Corona |
Care-Arbeit und Corona
Beschlusstext
Wir setzen uns in den katholischen Kinder- und Jugendverbänden für ein Umfeld
ein, welches Kindern und Jugendlichen Räume bietet, sich ohne feste Rollenbilder
zu entwickeln und Entscheidungen für ihre Lebensgestaltung frei treffen zu
könne. Dafür braucht es dringende Entwicklungen im Care-Bereich, denn unbezahlte
Sorgearbeit ist zwischen den Geschlechtern nicht fair verteilt, insbesondere die
Betreuung und Erziehung von Kindern, die Hausarbeit sowie die Unterstützung und
Pflege von Familienangehörigen. Frauen erledigen den Großteil der Tätigkeiten
und Kinder und Jugendliche wachsen in diese Bedingungen der ungleichen
Verteilung der Sorgearbeit hinein, die durch die Corona-Pandemie erneut deutlich
ins Bewusstsein getreten ist und verstärkt worden
Aus unseren eigenen Lebensrealitäten wissen wir zudem, dass für junge Menschen
die Arbeitsteilung zuhause, in Partnerschaften und Familie, sowie gute
Erholungs- und Carezeiten und berufliche Weiterentwicklung wichtige Themen und
grundlegende Bedürfnisse sind. Zudem bestätigen wissenschaftliche Studien eine
Sorgelücke zwischen den Geschlechtern: Frauen wenden im Durchschnitt täglich
anderthalb Stunden mehr für Sorgearbeit auf als Männer. Dieser sogenannte Gender
Care Gap beträgt damit 52 Prozent, in gemischtgeschlechtlichen Paarhaushalten
mit Kindern sind es sogar 83 Prozent.
Die ökonomischen und sozialen Folgen dieser ungerechten Arbeitsteilung sind
schwerwiegend: Die Einkommen von Frauen aus Erwerbsarbeit sind häufig deutlich
niedriger als die von Männern, weil Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten oder
aufgrund von Schwangerschaft und Erziehungszeiten Brüche im beruflichen
Lebenslauf haben. Die beruflichen Entwicklungsperspektiven von Frauen sind oft
begrenzt und bei Trennung oder im Alter sind sie finanziell häufig nicht
ausreichend abgesichert, weil unbezahlte Care-Arbeit nur unzureichend
angerechnet wird und bezahlte Care-Arbeit aufgrund von Teilzeit oder der
grundsätzlich im Vergleich zu anderen Berufen schlechteren Entlohnung geringere
Sicherungsleistungen mit sich bringt. Männern fällt noch immer die Rolle des
Familienernährers zu, weil Rollenmuster, nach denen Frauen die Care-Arbeit zu
leisten haben, weiterhin vorhanden sind und oft kaum hinterfragt werden.
Zugleich bestehen wirtschaftliche Abhängigkeiten vom Einkommen des
Mehrverdieners. Wenn ein Paar Kinder bekommt, arbeiten Frauen in der Regel
dauerhaft weniger außerhalb der Familie, Männer umgekehrt mehr. Diese
geschlechtliche Arbeitsteilung ist häufig nicht frei gewählt, sondern ergibt
sich durch wirtschaftliche, rechtliche, gesellschaftliche Vorgaben, deren
Beharrungskräfte stärker sind als die individuellen Wünsche: Unabhängig vom
eigenen Geschlecht wollen Frauen und Männer sowohl private Sorgearbeit und
Sorgeverantwortung übernehmen als auch den eigenen Lebensunterhalt verdienen
können, aber die Umsetzung dieses Wunsches ist schwierig, oft zu schwierig.
Auch in den Sorgeberufen gibt es ein Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern:
Ob als Sozialpädagogin , Hauswirtschafterin, Gesundheits- und Krankenpflegerin,
Altenpflegerin oder Erzieherin – in Sorgeberufen arbeiten überwiegend Frauen. In
diesen Berufen wird gesellschaftlich wertvolle Arbeit geleistet, die Vergütung
ist hingegen oft schlecht. Denn was in der Familie ‚umsonst‘ geleistet wird,
scheint im Job keinen angemessenen ökonomischen Wert erzielen zu können. Damit
diese wichtigen Tätigkeiten endlich ihrem gesellschaftlichem Wert entsprechend
vergütet werden, müssen die Sorgeberufe aufgewertet werden.
Wir fordern daher von Poltik, Wirtschaft und auch von Kirche als Arbeitgeberin:
- Aufwertung von Sorgeberufen durch die Zahlung einer Ausbildungsvergütung
und die Abschaffung des Schulgelds in den vollzeitschulischen
Ausbildungsberufen, moderne Berufsbilder, sowie Verbesserung der
Qualifizierungs- und Aufstiegsmöglichkeiten in den Sorgeberufen
- Stärkere Anerkennung von Sorgeberufen durch faire Löhne und bessere
Arbeitsbedingungen
- Abschaffung des Ehegattensplittings und Einführung von stärkeren
steuerlichen Vorteilen, wenn Menschen Verantwortung füreinander
übernehmen; sowie die Überführung von Minijobs in
sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse
- Schaffung wirtschaftlicher Anreize und politischer Instrumente, um auf
eine gerechte Verteilung von unbezahlter Care-Arbeit zwischen den
Geschlechtern hinzuwirken
- Verhinderung der Altersarmut von Frauen indem eigenständige
Existenzsicherung sichergestellt wird
- Wir fordern darüber hinaus:
- Eine geschlechter-, care- und diversitätssensible Pädagogik entlang der
gesamten Erziehungs- und Bildungskette. Kinder und Jugendliche sollen
geschlechtsunabhängig Zugänge zu vielfältigen Lebensentwürfen erhalten und
eine Selbstverständlichkeit für die gleichberechtigte Ausübung von Care-
Arbeit durch alle Geschlechter. Außerdem betonen wir die Notwendigkeit
auch als Gesamtgesellschaft für die gerechte Verteilung von (unbezahlter)
Carearbeit unter den Geschlechtern einzustehen.