Veranstaltung: | Bundesfrauenkonferenz 2021 |
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Status: | Beschluss (vorläufig) |
Beschlossen am: | 17.04.2021 |
Basierend auf: | 6.2: Frauenhass entgegentreten - Gewalt gegen Frauen* endlich beenden |
Frauen*hass im Netz ist real - Gewalt gegen Frauen* endlich beenden
Beschlusstext
Mädchen* und Frauen* wachsen auch heute noch und auch in unserer freiheitlichen
Gesellschaft damit auf, dass Frauenhass und Gewalt gegen Frauen* alltäglich
sind. An besonders markanten Ereignissen zeigt sich immer wieder, wie verbreitet
Frauenhass, Gewalt gegen Frauen* und Einschränkungen von Frauen* im öffentlichen
Raum sind: Dem Mord an Sarah Everard in England folgte Polizeigewalt gegen
Demonstrant*innen und der Ratschlag, Frauen* sollten den öffentlichen Bereich zu
bestimmten Zeiten meiden; die Türkei verlässt die Istanbul-Konvention, in der
Staaten sich auf die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen verpflichten. Frauen*
marginalisierter Gruppen erfahren Formen von Frauenhass, die sich zusätzlich
beispielsweise mit Rassismus, Queerfeindlichkeit und Antisemitismus verschränken
und verstärken. Ein Raum, in dem Frauenhass und Gewalt gegen Frauen* besonders
weit verbreitet ist und in den allermeisten Fällen straflos bleibt, ist das
Internet.
Wenn Frauen* sich im Netz äußern, schlägt ihnen oftmals sexualisierte und
persönliche Gewalt entgegen. Dies beginnt bereits im Jugendalter. 70% der jungen
Frauen* in Deutschland haben bereits Bedrohungen, Beleidigungen und
Diskriminierung im Netz erlebt.
Frauen* des öffentlichen Lebens, in Politik, Gesellschaft und Kirche, auch
engagierte Frauen* auf allen Ebenen des BDKJ, beispielsweise die jungen
Synodalen, also Frauen*, die vermeintliche Männerdomänen erobern und dort
sichtbar werden, stehen in einem besonderen Fokus. Allein auf Twitter wird alle
30 Sekunden eine Frau* bedrängt, beleidigt oder bedroht. Obwohl das
offensichtlich ist, bleibt diese Gewalt unsichtbar, weil sie nicht als solche
benannt, anerkannt oder in den statistischen Zahlen aufgeführt wird.
Frauenhass im Netz macht Gewalt gegen Frauen* alltäglich. Weil er so oft
straflos bleibt, erzeugt er ein Klima, in dem Gewalt gegen Frauen* nicht mehr
als solche wahrgenommen wird. Zudem werden Frauen*, die im Internet Gewalt
erfahren, in die Pflicht genommen, zu begründen, warum das, was sie erlebt
haben, als Gewalt anzusehen ist. Hass im Netz wird so oft verharmlost und nicht
als gewalttätiges Handeln wahrgenommen, erst recht nicht strafrechtlich
verfolgt. Dies gilt in besonderem Maße für Frauenhass, aber in dem Klima, in dem
Frauenhass im Netz gedeiht, werden auch andere Formen gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit normalisiert.
Der folgenlose Hass im Netz ist oftmals nur der Anfang und mündet in physische
Gewalt, weil er Maßstäbe des Erlaubten setzt, Selbstverständlichkeiten begründet
und Hemmschwellen senkt.
Frauenhass im Netz führt nicht nur zu physischer Gewalt gegen Frauen*, sondern
auch zum Rückzug von Frauen* aus dem öffentlichen Raum des Internets und damit
aus einem mittlerweile maßgeblichen Raum unseres Lebens, sie sehen seltener ihre
beruflichen Perspektiven im MINT-Bereich und sind gezwungen insbesondere den
Raum der politischen Debatte den Männern* zu überlassen.
Aber das Internet ist kein Neuland mehr, und wir fordern: Gewalt gegen Frauen*
darf weder im analogen noch im digitalen Raum verharmlost oder als Normalität
akzeptiert werden.
Wir fordern, dass Hasskriminalität gegen Frauen* als spezifischer
Straftatbestand erfasst und in der Kriminalitätsstatistik ausgewertet wird. Die
Polizeistatistik muss weibliche Opferzahlen im digitalen und im analogen Raum
explizit aufführen, damit die Gewalt gegen Frauen* sichtbar wird und
entsprechend Gegenmaßnahmen getroffen werden können.
Wir fordern eine wirksame Strafverfolgung von Gewalt gegen Frauen* im digitalen
Raum. Verstöße gegen Persönlichkeitsrechte, Hassreden und Beleidigungen müssen
im digitalen Raum juristisch genauso verfolgt werden wie Offline. Deshalb bedarf
es einen neuen Straftatbestand zu geschlechtsspezifischer digitaler Gewalt im
Netz und eine Kennzeichnungspflicht für Bots, d.h. für automatisiert verbreitete
Inhalte.
Wenn Frauen*von gewaltvollen Erfahrungen in Beziehungen berichten, werden ihre
Motive dies zu tun von einer breiten medialen Öffentlichkeit zunächst in Zweifel
gestellt. Häufig ziehen sich vornehmlich Männer* dann hinter den Umstand der
Unschuldsvermutung zurück. Damit werden Frauen* als unglaubwürdig dargestellt
und mit dem Stigma der hysterischen Übertreibung belegt, während Tätern*
vorläufig unbegründet in Schutz genommen werden. Auch diese Art von Täter*-
Opfer-Umkehr trägt dazu bei, dass ein Klima des Frauen*hasses florieren und
weitreichende Schäden anrichten kann.
Wir fordern die geschlechtssensible und intersektionale Gestaltung von
Präventionsmaßnahmen, landesweite Opferberatungsstellen für von Hass im Netz
betroffene Menschen und Spezialist*innen bei jeder Polizeidienststelle für Hate
Speech.
Wir setzen uns damit für eine Kultur ein, in der Frauenhass und Gewalt gegen
Frauen* als solche wahrgenommen werden und in der nicht Frauen* ihr Verhalten
anpassen müssen. Wir setzen uns für eine Kultur ein, in der Hasskriminalität
wirksam bekämpft und ihr damit der Boden entzogen wird.