Veranstaltung: | BDKJ-Hauptausschuss November 2024 |
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Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Hauuptausschuss |
Beschlossen am: | 09.11.2024 |
Basierend auf: | A1NEU: Kinder- und jugendgerechte Gesellschaftsvision des BDKJ: So stellen wir uns eine kinder- und jugendgerechte Gesellschaft vor |
Kinder- und jugendgerechte Gesellschaftsvision des BDKJ: So stellen wir uns eine kinder- und jugendgerechte Gesellschaft vor
Beschlusstext
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sind die Gegenwart und Zukunft für
unsere Demokratie. Daher ist klar: Es braucht Investitionen in junge Menschen -
nicht erst morgen, sondern heute! In einer kinder- und jugendgerechten,
solidarischen Gesellschaft stehen die Bedürfnisse und Anliegen junger Menschen
im Mittelpunkt. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene werden konsequent an
Entscheidungsprozessen beteiligt. Dabei ist es wichtig, ihnen auf Augenhöhe zu
begegnen, aktiv zuzuhören und sie ernst zu nehmen. Als BDKJ setzen wir uns für
eine Gesellschaft ein, in der junge Menschen bestmögliche Rahmenbedingungen
vorfinden, um gut & glücklich aufzuwachsen.
- Junge Menschen brauchen positive Demokratie-Erfahrungen, um zu engagierten
und kritischen Demokrat*innen zu werden. Studien[1] wie der
Wirksamkeitsdialog, die Sinus-Jugendstudie oder der Freiwilligensurvey
zeigen, wie das in unserer Gesellschaft gelingen kann!
- Alle Themen betreffen junge Menschen - nicht nur die, auf denen groß
„Jugendpolitik“ steht. Das bedeutet auch, dass eine kinder- und
jugendgerechte Politik die Bedürfnisse und Fragen sowie die Auswirkungen
von Entscheidungen auf die Lebenswirklichkeiten junger Menschen an allen
Stellen jederzeit einbezieht.
1. Beteiligend & selbstbestimmt
2. Gesund & glücklich
3. Vielfältig & geschlechtergerecht
4. Antifaschistisch & aktiv gegen Diskriminierung
5. Armutsfest & chancengerecht
6. Digital kompetent & teilhabegerecht
7. Wertschätzend, ehrenamts- & engagementstärkend
8. Nachhaltig & klimagerecht
9. Global vernetzt & solidarisch
Auf den nächsten Seiten findet sich unsere Vision, wie eine kinder- und
jugendgerechte Gesellschaft aussehen kann. Wir fordern alle Politiker*innen auf,
sich dafür einzusetzen und laden alle Menschen ein, mit uns für eine kinder- und
jugendgerechte Gesellschaft laut zu werden!
Kinder und Jugendliche sind Expert*innen ihrer Selbst. Politik und Gesellschaft
haben den Anspruch, die Stimmen von jungen Menschen in ihrer Vielfalt zu stärken
und ihnen auch institutionell eigenständige Entscheidungen zu ermöglichen. In
einer kinder- und jugendgerechten Gesellschaft sind Kinder, Jugendliche und
junge Erwachsene in politische Prozesse eingebunden. Ihre Forderungen werden
ernst genommen. Es gibt ein institutionalisiertes Mitspracherecht für junge
Menschen in Politik, Kirche und Gesellschaft durch dauerhaft angelegte,
geeignete Beteiligungsformate. Jugendverbände, die die Interessen von Kindern,
Jugendlichen und jungen Erwachsenen vertreten, sind bedarfsgerecht finanziert.
Das bedeutet für uns:
- Kinderrechte werden im Grundgesetz verankert. Die UN-
Kinderrechtskonvention wird in Deutschland umfassend umgesetzt.
- Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Beteiligung und Mitbestimmung
in der demokratischen Gesellschaft.[2]Partizipation wird als Grundrecht
aller Kinder und Jugendlichen auf allen politischen Ebenen gelebt.
- Jugendpolitik macht das Potential junger Menschen in ihrer Vielfalt für
die Gesellschaft sicht- und erfahrbar. Sie zeigt, wie junge Menschen durch
ihr Engagement und ihre Perspektiven die Gesellschaft positiv beeinflussen
können, denkt Vielfalt, Partizipation und junge Lebenswelten zusammen und
stärkt die Mitbestimmung und demokratisches Empowerment insbesondere
benachteiligter Kinder und Jugendlicher.
- Das Wahlalter wird auf mindestens 14 Jahre abgesenkt, damit junge Menschen
selbst mitbestimmen können. Die Absenkung wird für alle Wahlen,
insbesondere auch Kommunal-, Landtags-, Bundestags- und Europawahlen sowie
für Bürger*innenentscheide und -begehren umgesetzt. Bisherige
Altersgrenzen wurden willkürlich gezogen. Junge Menschen sind so früh wie
möglich aktiv in Entscheidungsprozesse einzubinden, sodass sie durch eine
aktive Einbindung in politische, gesellschaftliche und kirchliche
Entscheidungsprozesse auch eher dazu befähigt werden können, ihre Meinung
einzubringen.
- Plätze für junge Menschen in Entscheidungsgremien und -prozessen werden
fest verankert. Junge Menschen machen ein Drittel unserer Bevölkerung aus,
dementsprechend müssen sie auch in Politik und Gesellschaft viel stärker
als bisher an Entscheidungsprozessen beteiligt werden. Dazu werden
mindestens 25% der Stellen für Entscheidungsträger*innen in Parlamenten
sowie parteilichen und kirchlichen Gremienstrukturen jungen Menschen unter
35 Jahren vorbehalten.[3]
- Das Recht auf Selbstbestimmung gilt für alle Menschen gleichermaßen –
selbstverständlich auch für Kinder und Jugendliche. Entsprechend dem
Leitgedanken „Nichts über uns ohne uns“ wird sichergestellt, dass in
politische Entscheidungen, die jungen Menschen betreffen, ihre Anliegen
und Perspektiven aktiv einbezogen und selbstbestimmt vertreten werden.
- Die Jugendstrategie der Bundesregierung wird zielstrebig umgesetzt und
fortlaufend weiterentwickelt. Es gibt eine enge Verzahnung mit der EU-
Jugendstrategie. Akteur*innen der Jugend(verbands)arbeit und der
Jugendsozialarbeit werden in die Umsetzung der Maßnahmen systematisch
eingebunden. Der Jugend-Check wird als begleitendes Instrument zur
Abschätzung möglicher Folgen von Gesetzesvorhaben für junge Menschen
gesetzlich verankert und verbindlich durchgeführt. Die Ergebnisse fließen
in den Gesetzgebungsprozess mit ein.
- In der Politik wird eine inklusive kinder- und jugendgerechte Sprache
verwendet, die jungen Menschen Prozesse transparent und sie sprachfähig
macht. Um Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen demokratische
Teilhabe zu ermöglichen, wird in der Politik eine einfache und zugängliche
Sprache verwendet. Sachverhalte, wie Gesetzesvorhaben und Parteiprogramme,
werden klar benannt und verständlich übersetzt bzw. kommuniziert. Dabei
stehen die inhaltlichen Aussagen im Vordergrund.
- Bildung wird praktisch und lebensweltorientiert umgesetzt. Bildung macht
Politik praktisch erlebbar. Mitbestimmungsrechte und -möglichkeiten für
junge Menschen sind in Schule, Ausbildung, Beruf und außerschulischen
Bildungsorten fest verankert. Zudem gibt es Zugang zu Formen der
politischen Bildung, die gezielt auf aktuelle Entwicklungen und Diskurse
Bezug nehmen. So wird das nötige Wissen vermittelt, sich selbst in die
Gesellschaft einzubringen. Jugendverbände ermöglichen als Werkstätten der
Demokratie echte Beteiligung. Ihre finanzielle Ausstattung ist daher
gesichert.
- Selbstorganisationen und Zusammenschlüsse junger Menschen werden
maßgeblich bei der Neukonzipierung, Implementierung und Reflexion von
politischen Beteiligungsprozessen sowie -formaten eingebunden. Dabei
werden Altersgrenzen für die Besetzung dieser Prozesse und Formate den
Vertretungsstrukturen der zivilgesellschaftlichen Organisationen gerecht.
- Jugendverbände werden in die Beratung der Bundesregierung systematisch
einbezogen. Dies geschieht in Anerkennung ihres Wirkens als Werkstätten
der Demokratie – und somit als wichtige selbstorganisierte,
zivilgesellschaftliche demokratische Lernorte - und ihrem Auftrag, die
Anliegen und Interessen junger Menschen nach § 12 Abs. 2 SGB VIII zu
vertreten. Dabei wird auch die Anzahl ihrer Mitglieder berücksichtigt.
Gesundheit ist essenziell für das Wohlbefinden und Aufwachsen junger Menschen.
In Kindheit und Jugend werden wichtige Grundlagen für die zukünftige Gesundheit
gelegt. In einer kinder- und jugendgerechten Gesellschaft stellen umfassende
Maßnahmen des Kinder- und Jugendschutzes sicher, dass junge Menschen gewaltfrei,
sicher und gesund aufwachsen. Die Entwicklung sozialer Kompetenzen, Resili ein
verantwortungsvoller Umgang mit den eigenen Kräften und Grenzen bei Kindern,
Jugendlichen und jungen Erwachsenen wird als wichtige gesundheitsfördernde
Ressource erkannt und gezielt gefördert. Junge Menschen haben Zugang zu gesunden
Lebensmitteln, ausreichender Bewegung, einer sauberen Umwelt sowie
niedrigschwelligen Angeboten zur Stärkung der mentalen Gesundheit. Das bedeutet
für uns:
- Gesundheit und Wohlbefinden junger Menschen haben Priorität. Dies spiegelt
sich auch in einer kinder- und jugendgerechten Gestaltung öffentlicher
Räume. Politisch wird Wert auf die Stärkung sozialer Beziehungen und
Gemeinschaft gelegt: Im Fokus steht das Miteinander anstatt des Erbringens
von Leistung zur Verwertung im kapitalistischen System. Es gibt eine
starke Infrastruktur, die darauf ausgerichtet ist, dass Menschen
generationenübergreifend Freundschaften knüpfen, voneinander lernen und
sich gegenseitig unterstützen können. Individuelle Stärken werden bereits
in Kindheit und Jugend gefördert und damit kreative Entfaltung ermöglicht.
So werden die Rahmenbedingungen für ein gesundes Aufwachsen gestärkt.
- Die Perspektiven junger Menschen – mitsamt ihren Ideen, Ängsten und
Wünschen - werden ernstgenommen.Klimaangst, ökonomischer Unsicherheit,
Angst vor Kriegen und weiteren Krisen wird durch ernsthafte Politikansätze
begegnet, die nachhaltige, sozial und geschlechtergerechte sowie
friedensfördernde Maßnahmen stärken, um eine lebenswerte Zukunft für alle
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zu sichern.
- Kinder und Jugendliche haben das Recht, sicher und geschützt aufzuwachsen.
Gesetzliche Regelungen schützen Kinder und Jugendliche vor allen Formen
der Gewalt. Präventive Maßnahmen zum Schutz vor insbesondere
sexualisierter Gewalt werden umfassend umgesetzt. Strukturen zur
Aufarbeitung sexualisierter Gewalt werden in allen gesellschaftlichen
Bereichen – auch der Kirche –staatlich konsequent gefördert.
- Mentale Gesundheit wird in der gesamten Erziehungs- und Bildungskette
gezielt gestärkt. Psychische Erkrankungen sind entstigmatisiert.
Unterstützungssysteme, die das Wohlbefinden und die mentale Gesundheit
junger Menschen fördern, sind ausgebaut. Alle jungen Menschen haben Zugang
zu professionellen und geschlechtersensiblen Therapieangeboten, auch in
ländlichen Räumen. Es gibt niedrigschwellige Weiterbildungs- und
Qualifizierungsangebote für haupt- und ehrenamtlich Engagierte zur
Stärkung von Resilienz und mentaler Gesundheit.
- Menschen allen Alters verfügen über einen reflektierten Umgang mit
gesellschaftlichen Rollenbildern und sexueller Gesundheit.Dazu tragen
niedrigschwellige Informations-, Beratungs- und Schulungsangebote bei, die
bedarfsorientiert ausgestaltet sind. Einen Baustein bilden dabei
diskriminierungs- sowie angstfreie Räume für junge Menschen zur Aneignung
von Wissen, zur Formulierung von Fragen und zum Austausch mit Peers und
Fachkräften.
- Das Gesundheitssystem ist geschlechtergerecht. Patriarchale Normen sind
überwunden: Ein männlich gelesener Körper gilt in der Gesundheitsforschung
und -versorgung nicht länger als Norm. Durch die Verankerung von
Geschlechtersensibilität in Forschung, Ausbildung und Prävention können
Krankheiten von insbesondere Mädchen und jungen Frauen, von trans*, inter*
und nicht-binären Personen frühzeitig erkannt, adäquat behandelt und
wirksam vorgebeugt werden.
- Ein diskriminierungsfreier Zugang zu Gesundheitsleistungen und -produkten
ist für alle jungen Menschen in ihrer Vielfalt sichergestellt.
Tabuisierungen, Wissenslücken und Mythen werden durch gezielte Aufklärung,
geschlechtersensible Studien, niedrigschwellige Informationsangebote und
realistische Körperbilder abgebaut. Allen Kindern, Jugendlichen und
Erwachsenen wird der qualitativ bestmögliche Schutz sowie die Versorgung,
Untersuchung, Begleitung und Behandlung zuteil.
- Menstruation ist enttabuisiert und Periodenarmut ist bekämpft. Es werden
effektive Maßnahmen gegen Periodenarmut umgesetzt. Dazu gehört, dass
Schulen und öffentliche Einrichtungen flächendeckend mit kostenlosen,
biologisch und fair produzierten Menstruationsprodukten ausgestattet
werden.
- Emotional Work und Care-Arbeit werden in ihrer Bedeutsamkeit für das
Wohlbefinden und die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sichtbar. Es
werden politische Anreize geschaffen, damit sich Mental Load auf
verschiedenen Verantwortungsträger*innen verteilt und von Personen aller
Geschlechter gleichermaßen übernommen wird.
- Die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe nach § 75 SGB VIII tragen
mit ihren vielfältigen und bedarfsgerecht finanzierten Angeboten zur
Verhinderung von Einsamkeit von Kindern, Jugendlichen und jungen
Erwachsenen bei. Das Potential außerschulischer Kinder- und Jugendarbeit,
Persönlichkeitsentwicklung zu stärken, soziale Peer-Beziehungen aufzubauen
und (damit) Einsamkeit entgegenzuwirken, wird erkannt. Insbesondere
diskriminierungssensible Strukturen und Maßnahmen für junge Menschen
werden gezielt gefördert.
In einer kinder- und jugendgerechten Gesellschaft ist Vielfalt nicht nur ein
Schlagwort, sondern gelebte Praxis. Es ist selbstverständlich, gesellschaftliche
Vielfalt als Bereicherung wertzuschätzen, gängige Normen sowie die eigene
Haltung immer wieder zu hinterfragen, einander mit der Offenheit zu begegnen und
voneinander lernen zu wollen. Junge Menschen haben - unabhängig von
geschlechtlicher Identität und sexueller Orientierung, sozialem Status,
ökonomischen Voraussetzungen, Bildungshintergrund, ethnischer/ kultureller
Herkunft sowie kognitiven und körperlichen Fähigkeiten – gerechte Chancen, gut
aufzuwachsen und sich frei zu entfalten. Das bedeutet für uns:
- Junge Menschen sind keine einheitliche Gruppe, sondern vielfältig. Kinder,
Jugendliche und junge Erwachsene haben vielfältige Biografien, Interessen,
Stärken, Bedürfnisse und Lebensentwürfe. Diese sind in ihrer
Unterschiedlichkeit wahrzunehmen und zu berücksichtigen, wenn mit und über
junge Menschen gesprochen wird und es um die Auswirkungen politischer
Entscheidungen auf ihre diversen Lebenswirklichkeiten geht.
- Politik und Gesellschaft agieren diversitätskompetent. Es gibt ein
gemeinsames Bewusstsein dafür, dass Vielfalt stets intersektional zu
denken ist und durch feministische Ansätze gezielt Menschenrechte
gestärkt, Repräsentanz erhöht und Ressourcenausstattungen gerechter
gestaltet werden können.
- Vielfalt ist überall sichtbar. Junge Menschen finden in Politik, Medien,
Filmen, (Schul-)Büchern und Spielen vielfältige Vorbilder, die ihre
Lebensrealitäten abbilden, ohne, dass sie Stereotype transportieren. In
bestimmten gesellschaftlichen Bereichen werden Quotierungen genutzt, um
unterrepräsentierten Gruppen Zugang zu Gestaltungsräumen zu verschaffen
und Macht umzuverteilen. Dazu werden Entscheidungsgremien und Parlamente
geschlechterparitätisch besetzt - auch im Bundestag. Darauf wird in einer
nächsten Wahlrechtsreform hingewirkt.[4]
- Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit und ohne Behinderung können
in allen Lebensbereichen angstfrei und gleichberechtigt teilhaben. Dazu
wird politikfeldübergreifend eine Kultur inklusiven Denkens und Handelns
gefördert: durch Bewusstseinsbildung, inklusive Kommunikation (z. B.
Einfache Sprache, Gebärdensprache) und ausreichend Ressourcen, die
barrierefreie Zugänge ermöglichen.
- Care-Arbeit ist gerecht verteilt. Dazu werden politische Instrumente
geschaffen und wirtschaftliche Anreize gesetzt. Zudem wird entlang der
gesamten Erziehungs- und Bildungskette eine geschlechter-, care- und
diversitätssensible Pädagogik etabliert, damit Kinder, Jugendliche und
junge Erwachsene geschlechtsunabhängig Zugang zu vielfältigen
Lebensentwürfen erhalten und die gleichberechtigte Ausübung von Care-
Arbeit für sie selbstverständlich wird.
- Alle Geschlechter sind tatsächlich gleichberechtigt. Die Gesellschaft
arbeitet darauf hin, das binäre Geschlechtermodell hinter sich zu lassen
und berücksichtigt zugleich die vielfältigen Bedarfe unterschiedlich
positionierter Personen(gruppen), einschließlich safer und braver spaces
für einzelne Communities. Neben mädchen- und frauenpolitischen Maßnahmen
zur Förderung von Geschlechtergerechtigkeit gibt es gezielt
queerpolitische Politikprogramme, die insbesondere die Bedürfnisse und
Perspektiven junger Menschen beinhalten. Zudem wird die
Gleichstellungsstrategie der Bundesregierung unter Beteiligung von
Interessensvertretungen junger Menschen weiterentwickelt.
- Es gibt starke gleichstellungspolitische Rahmenbedingungen, die jungen
Menschen - unabhängig ihrer familiären Konstellation - ein
gleichberechtigtes Aufwachsen ermöglichen. Dazu gehört, sämtliche
Politikbereiche nach feministischen Grundsätzen auszurichten, so z. B.
Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Konkret wird das
Ehegattensplitting abgeschafft. Daneben werden stärkere steuerliche
Vorteile für Verantwortungsgemeinschaften eingeführt. Lohnunterschiede
werden konsequent bekämpft und der Gender Pay Gap, Gender Time Gap und
Gender Pension Gap geschlossen. Minijobs werden in
sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse überführt und das
Konzept des Sustainable & Gender Budgetings wird in allen öffentlichen
Haushalten konsequent umgesetzt. Durch die Sicherstellung eigenständiger
Existenzsicherung wird Altersarmut insbesondere von Frauen verhindert.
In einer kinder- und jugendgerechten Gesellschaft werden junge Menschen vor
Diskriminierung geschützt und zugleich befähigt und empowert, eine gerechte
Gesellschaft mitzugestalten. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit hat hier
keinen Platz. Für Menschen allen Alters ist es selbstverständlich, aktiv gegen
Diskriminierung einzustehen, klare Kante gegen Rechtsextremismus,
Antisemitismus, Antifeminismus und andere Formen von Menschenfeindlichkeit zu
zeigen und sich mit marginalisierten Gruppen zu solidarisieren. Das Miteinander
ist von Empathie, Mut und einem demokratischen Gemeinschaftsgefühl geprägt, das
alle Generationen miteinander verbindet. Das bedeutet für uns:
- Antidiskriminierungsgesetze schützen junge Menschen vor Diskriminierung in
allen Lebensbereichen.[5] Erwachsene kommen ihrer Verantwortung, junge
Menschen zu schützen, aktiv nach. Kinder und Jugendliche sind darüber
informiert, welche Rechte sie haben. Leicht zugängliche, kindgerechte
Mechanismen zur Meldung von Diskriminierung sind vorhanden.
- Es gibt konsequente Maßnahmen zur Bekämpfung gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit. Rechte Übergriffe und Gewalttaten werden als solche
benannt und konsequent verfolgt. Rassistisch, antisemitisch,
antifeministisch, ableistisch, queerfeindlich motivierte Gewalttaten
werden nicht als Einzelfälle abgetan, sondern in ihren strukturellen und
institutionellen Dimensionen ernstgenommen. Es gibt präventive Maßnahmen,
um Betroffene besser zu schützen und insbesondere das Sicherheitsgefühl
von (unterschiedlich positionierten) Kindern, Jugendlichen und jungen
Erwachsenen zu stärken.
- Durch eine starke Antidiskriminierungs- und Geschlechterpolitik wird
geschlechtsspezifische Diskriminierung in allen gesellschaftlichen
Bereichen bekämpft. Zur Überwindung struktureller Ungleichheiten ist
Geschlechtergerechtigkeit als politikfeldübergreifendes
Querschnittsanliegen verankert. Geschlechtersensibilität in der Forschung
wird gezielt gefördert, um das Gender Data Gap zu schließen. Auch bei der
(Weiter-) Entwicklung von Künstlicher Intelligenz wird dies
berücksichtigt, damit Algorithmen keine sexistischen, ableistischen,
adultistischen und rassistischenDiskriminierungsmuster reproduzieren.
- Der Einsatz gegen Antifeminismus ist zentraler Bestandteil des
demokratischen Engagements und als wichtiges Element zur Demokratiebildung
und -stärkung etabliert.[6]
Antifeminismus und Gleichstellungspolitik werden als zentrale
Mobilisierungsfelder autoritärer und demokratiefeindlicher Kräfte ernst
genommen. Maßnahmen und Bildungsprogramme für insbesondere junge Menschen
sowie Organisationen, die Antifeminismus bekämpfen, werden finanziell
langfristig gefördert.
- Es gibt effiziente Maßnahmen zum Schutz insbesondere von Mädchen und
jungen Frauen vor Gewalt. Dies umfasst auch die Stärkung von Gesetzen zum
Schutz von Mädchen- und Frauenrechten. Femizide werden als solche benannt
und Maßnahmen zur Verhinderung dieser aktiv gefördert. Es gibt eine
bedarfsgerechte Förderung der Frauenhaus-Infrastruktur, die die
Sicherheitslage gewaltbetroffener Kinder und Frauen massiv verbessert.
- Rechtspopulistische und extrem rechte Positionen werden konsequent
zurückgedrängt.
Parteipolitische Akteur*innen setzen sich mit Unterstützung der
Zivilgesellschaft in analogen und digitalen Räumen sowie lokal und global
dafür ein, rechtspopulistischen und extrem rechten Positionen in ihren
Strukturen, den Medien, der Politik und der Gesellschaft insgesamt aktiv
entgegenzuwirken. Dies geschieht z. B. durch die konsequente Anwendung von
Antidiskriminierungsgesetzen, strafrechtliche Maßnahmen gegen Hassreden
und rechtsextremistische Aktivitäten sowie die Maßnahmen der wehrhaften
Demokratie. Insbesondere Parteien, Politiker*innen und Influencer*innen
verzichten auf rechtspopulistische (Wahlkampf-) Strategien und Aussagen,
die zu Desinformation führen.
- Es erfolgt eine diskriminierungs- und machtkritische Reflexion von
gesellschaftlichem Wissen. Es gibt ein gesellschaftliches Bewusstsein
dafür, dass unser Wissen eurozentrisch und aus patriarchal geprägten
Strukturen hervorgegangen ist und somit nur einen Ausschnitt der Realität
darstellt. Durch die Anerkennung und Wertschätzung verschiedener Formen
von Wissen, der Erfahrungen von marginalisierten Gruppen, jungen
Perspektiven und lokalem Know-How entsteht eine gerechtere und
umfassendere Sicht auf die Welt. Diese Perspektive wird in das gesamte
Bildungswesen und alle Politikfelder integriert und stößt eine kritische
Reflexion an: Was ist wichtig zu wissen? Wer schreibt Geschichte? Aus
welchem Blickwinkel und auf Grundlage welchen Wissens werden
Entscheidungen getroffen?Welcher Maßstab liegt den gesellschaftlichen und
politischen Normen zugrunde?
- Rassismuskritische Bildungsarbeit wird als wichtiges Instrument genutzt,
um über Rassismus aufzuklären, für rassistische Erscheinungsformen zu
sensibilisieren und Diskriminierung entgegenzuwirken. Es gibt ein
gemeinsames Verständnis darüber, dass Menschen unterschiedlich von
Rassismus betroffen sind und unterschiedliche Positionen in rassistisch
strukturierten Systemen haben. Dazu gehört, Rassismus als
gesamtgesellschaftliche Ordnung zu verstehen, die alle Lebensbereiche
umfasst. Denk- und Handlungsmuster sowie damit verbundene Machtstrukturen
werden aktiv reflektiert, internationale Begegnungen, Bildung für
nachhaltige Entwicklung (BNE) und Globales Lernen können hierbei sinnvolle
Beiträge leisten und werden entsprechend gefördert. Es werden Strategien
entwickelt, um Betroffene rassistischer Diskriminierung zu stärken. Dies
spiegelt sich auch in Lehrplänen sowie der Sensibilisierung von
Pädagog*innen und Fachkräften in der (außer-) schulischen Kinder- und
Jugendarbeit.
- Organisationsstrukturen werden diskriminierungskritisch hinterfragt und
struktureller Rassismus wird aufgearbeitet. Institutionelle und
strukturelle Mechanismen werden regelmäßig auf rassistische und
anderweitig diskriminierende Praktiken überprüft und entsprechend
angepasst. Vorfälle von institutionellem Rassismus und Polizeigewalt
werden umfassend aufgearbeitet.[7]
- Der öffentliche Raum ist dekolonial und diskriminierungskritisch
gestaltet. Junge Menschen wachsen in eine Gesellschaft hinein, in der
Straßen und Denkmäler keine kolonialen Erzählungen transportieren. Es
erfolgt ein machtkritischer Perspektivwechsel: Straßennamen werden
umbenannt oder im ersten Schritt mindestens kommentierend eingeordnet. Sie
machen (postkoloniale) Aktivist*innen und insbesondere Frauen und queere
Personen unterschiedlichen Alters sichtbar. Auch in der
diskriminierungssensiblen Stadtplanung insgesamt spiegeln sich die
Interessen und Bedarfe junger Menschen konsequent wider.
- Junge Menschen wachsen in einer Gesellschaft auf, die frei von
Diskriminierung und Vorurteilen gegenüber Personen in und aus
Ostdeutschland ist. Ihre politische und historische Prägung wird als
Bereicherung und Ausdruck gesellschaftlicher Vielfalt anerkannt.
Bestehende Vorurteile sind abgebaut und durch ein Klima von Respekt,
Offenheit und Zusammenhalt ersetzt.
In einer kinder- und jugendgerechten Gesellschaft wird gesellschaftliche
Teilhabe allen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in ihrer Vielfalt
gleichermaßen ermöglicht. Chancen junger Menschen werden nicht durch ihre
sozioökonomische Herkunft bestimmt. Es gibt keine Strukturen mehr, die junge
Menschen dazu zwingen, ihren Fokus und ihre (Aus-)Bildung auf die Erwerbsarbeit
auszurichten. Vielmehr kann Bildung von Kindern, Jugendlichen und jungen
Erwachsenen als ganzheitliches Konzept wahrgenommen werden. Sie wachsen in einem
unterstützenden Umfeld auf, das die individuelle Entwicklung fördert und ihre
Potenziale entfaltet. Materielle Sicherheit ist für alle gewährleistet. Alle
jungen Menschen haben die Freiheit, ihr Leben selbstbestimmt und
eigenverantwortlich zu gestalten. Das bedeutet für uns:
- Armut von jungen Menschen wird mit einem bedingungslosen Grundeinkommen
aktiv begegnet. Im Sinne einer solidarischen Gesellschaft werden
Strukturen der Umverteilung geschaffen, die allen Menschen Teilhabe an
Besitz, Einkommen und Gesellschaftsgestaltung sichern.[8] Dafür ist eine
bedarfsgerechte und zukunftsfeste Kindergrundsicherung ein erster
notwendiger Schritt.
- Bildungschancen hängen nicht vom sozialen Status und ökonomischen
Voraussetzungen ab. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene erfahren
unabhängig von ihrer sozialen Herkunft die gleiche Bildung. Dazu trägt ein
durchlässigeres Bildungssystem bei, das unabhängig vom Elternhaus oder
Vormundschaftsbedingungen funktioniert.
- Der Übergang zwischen Schule/Berufsvorbereitung und Ausbildung wird in
stärkerem Maße personell begleitet. Es gibt dazu flächendeckende,
personelle Angebote im Rahmen von mobiler aufsuchender Arbeit, die es
ermöglichen, vor allem isolierte Jugendliche und junge Erwachsene an
Ausbildung heranzuführen. Die Ausbildungsgarantie setzt auch im
schulischen Raum bereits früher an. Hierzu gibt es frühzeitige
Übergangscoachings.
- Die Entscheidung für eine Ausbildung und ein Studium kann frei von
finanziellen Aspekten getroffen werden. Es erfolgt eine finanzielle
Sicherung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Ausbildung und
Studium, z. B. durch eine Erhöhung der Förderung durch
Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) und des BAföG. Zudem wird bezahlbarer
Wohnraum für Auszubildende und Student*innen geschaffen.
- Im Ausland erworbene Abschlüsse werden in Deutschland einfacher und fair
anerkannt. Junge Menschen mit Migrationserfahrungen erhalten auf diese
Weise eine berufliche Perspektive, die ihnen Unabhängigkeit von
finanziellen Sicherungssystemen bietet.
- Junge Menschen können ihr Leben langfristig gestalten und sind
arbeitsrechtlich in ihrer Beschäftigung geschützt. Politische Maßnahmen,
die prekären Beschäftigungsverhältnissen entgegenwirken, werden ausgebaut.
Arbeitsbedingungen sind für alle jungen Menschen gerecht und sicher.
- Junge Menschen haben ein Recht, sich neue arbeitsrechtliche Bedingungen zu
erkämpfen, die ihren (Zukunfts-)Perspektiven und Bedürfnissen gerecht
werden. Dazu gehört auch das Recht, Arbeitsformen zu schaffen, die nicht
nur wirtschaftliche Sicherheit bieten, sondern auch Raum für persönliche
Entfaltung, kreative Freiheit und nachhaltige Lebensweisen ermöglichen und
so eine zukunftsfähige Arbeitswelt zu gestalten.
- Sorgeberufe genießen eine hohe Anerkennung durch faire Löhne und
verbesserte Arbeitsbedingungen. Sorgeberufe sind strukturell aufgewertet.
Bausteine dafür sind die Zahlung einer Ausbildungsvergütung und die
Abschaffung des Schulgelds in den vollzeitschulischen Ausbildungsberufen,
moderne Berufsbilder, sowie die Verbesserung der Qualifizierungs- und
Aufstiegsmöglichkeiten in Sorgeberufen.
- Alle jungen Menschen haben (zeit-)gerechte Chancen zur freien Entwicklung
und individuellen Entfaltung. Politische Rahmenbedingungen sorgen für mehr
Zeitgerechtigkeit und ermöglichen jungen Menschen
Selbstwirksamkeitserfahrungen sowie umfassende gesellschaftliche Teilhabe:
kulturell, sozial, politisch, ökonomisch, digital, gesundheitlich,
räumlich, infrastrukturell, religiös und spirituell. Die Verteilung und
Anerkennung von bezahlter und unbezahlter Arbeit, die Aufwertung von Care-
Arbeit und der wachsende Bedarf an Zeitsouveränität sind wichtige
Faktoren, die dabei zeitpolitisch zusammengedacht werden.
- Außerschulische Bildungsorte sind für alle zugänglich. Das formale
Bildungssystem sieht Freistellungsregelungen zur Ermöglichung
ehrenamtlichen Engagements vor, die es Kindern und Jugendlichen
ermöglichen, sich in außerschulischen Bildungsorten, wie z. B. der
Jugendverbandsarbeit zu entwickeln.
- Die Bundesregierung investiert in eine finanziell bedarfsgerechte
Ausstattung der Bildungssysteme und Programme zur Förderung der sozialen
Teilhabe und psychischen Gesundheit. Dies stellt eine flächendeckende
digitale als auch analoge Infrastruktur sicher. Auswirkungen der multiplen
Krisen - nicht zuletzt der Coronapandemie - für junge Menschen wird aktiv
begegnet. Insbesondere für benachteiligte Personengruppen werden gezielt
Unterstützungsprogramme gefördert.
- Chancengleichheit zwischen Ost- und Westdeutschland ist Realität. Junge
Menschen in ganz Deutschland haben unabhängig vom Wohnort gleichwertige
Chancen: Bildung, wirtschaftliche Perspektiven und Zugang zur
Infrastruktur sind gesichert. Strukturelle Unterschiede zwischen Ost und
West sind überwunden und eine gerechte Förderung ermöglicht allen, ihre
Potentiale voll zu entfalten.
Junge Menschen wachsen in einer zunehmend digitalisierten Welt auf. Digitales
und Analoges gehen in ihrer Lebenswelt wie selbstverständlich ineinander über.
Sie habendie Kompetenz sich in dieser zurechtzufinden. Digitalpolitik ist immer
auch Gesellschaftspolitik. In einer kinder- und jugendgerechten Gesellschaft ist
Teilhabegerechtigkeit für junge Menschen an, in und durch digitale Räume
sichergestellt.[9] Technische, materielle, soziale, rechtliche und politische
Zugangsvoraussetzungen ermöglichen dies. Politische Entscheidungen werden daran
gemessen, inwieweit sie einen Rahmen schaffen, der das gewährleistet. Kinder,
Jugendliche und Erwachsene können sich souverän, selbstbestimmt und sicher in
analogen und digitalen Räumen bewegen, einbringen und weiterentwickeln. Das
bedeutet für uns:
- Die digitalen Rechte von Kindern und Jugendlichen werden im Sinne der UN-
Kinderrechtskonvention konsequent umgesetzt.[10] Politische
Rahmenbedingungen orientieren sich an der Lebenswelt junger Menschen,
ermöglichen Mitbestimmung, Teilhabe und Verantwortung. Sie sind
praktikabel, bieten Sicherheit und öffnen Freiräume.
- Feministische Digitalpolitik wird gezielt gestärkt.[11]Kinder und
Jugendliche wachsen in eine Gesellschaft hinein, in der die digitale
Öffentlichkeit demokratisch, feministisch und nachhaltig gestaltet ist.
Dafür werden Diskriminierungsmuster sowie globale und soziale
Machtstrukturen systemisch analysiert und der Einsatz von Technologien
wird aus junger Perspektive kritisch hinterfragt. Zivilgesellschaftliche
Organisationen, die die Interessen und digitalpolitischen Bedürfnisse
junger Menschen vertreten, werden als Expert*innen in politische
Meinungsbildungsprozesse eingebunden.
- Die digitale Infrastruktur ist für alle zugänglich. Digitale Ressourcen
sind nicht abhängig von finanziellen Mitteln oder Bildungsräumen. Alle
jungen Menschen haben Zugang zu - für die jeweiligen Zwecke angemessenen –
eigenen digitalen Endgeräten und gutem Internetzugang. Sowohl formale als
auch nonformale Bildungsräume sind so ausgestattet, dass alle jungen
Menschen die gleichen digitalen Kompetenzen erlangen können. Es werden
öffentlich zugängliche Orte gefördert, an denen moderne Hard- und Software
sowie kostenfreier und sicherer Internetzugang zur Verfügung stehen. Ein
neuer DigitalPakt berücksichtigt auch außerschulische Lernorte wie
Jugendverbände und Jugendberufshilfe.
- Junge Menschen werden in der Entwicklung ihrer digitalen Mündigkeit von
kompetenten Personen unterstützt. Digitale Mündigkeit wird als
altersunabhängiges gesellschaftliches Entwicklungsfeld verstanden, das auf
lebenslangem Lernen basiert. Dazu gehört zu verstehen, wie digitale Räume
funktionieren, zu lernen, Medien kompetent zu nutzen und Informationen
kritisch zu hinterfragen. Digitale Bildung fördert digitale Teilhabe und
vermittelt digitale Kompetenzen, die sich auch in schulischen Lehrplänen
und der Ausbildung von Lehrkräften widerspiegeln. Sorgeberechtigte,
Lehrkräfte, Pädagog*innen und Gruppenleiter*innen erweitern in
Fortbildungen ihre digitalen Fähigkeiten und ihre Medienkompetenz. Die
Rechte von Kindern und Jugendlichen, insbesondere auch auf Privatsphäre,
werden dabei besonders berücksichtigt.
- Junge Menschen können digitale Räume für ihre Themen und Bedürfnisse
nutzen. Sie finden dort vertrauenswürdige, barrierearme und altersgerecht
aufbereitete Inhalte sowie eine unterstützende und respektvolle Kultur vor
und können sich vertraulich und anonym zu Themen austauschen, die sie
beschäftigen. Förderprogramme berücksichtigen digitale Angebote daher
flächendeckend und in angemessener Höhe. Auch im Kinder- und Jugendplan
(KJP) sind digitale Angebote und Veranstaltungen förderfähig.
- Junge Menschen aus marginalisierten Gruppen werden durch Vorbilder
motiviert, sich selbst bei der Gestaltung digitaler Räume einzubringen.
Entscheidungspositionen und Teams, die digitale Räume entwerfen,
bereitstellen und betreuen, sind divers besetzt. Durch die Mitwirkung
vielfältiger Personen, insbesondere von FINTA* und Menschen mit
Behinderung werden die Räume sicherer und inklusiver gestaltet.
- Hass und Gewalt haben in digitalen Räumen keinen Platz. Adultistische
sowie antifeministische Anfeindungen und Mobilisierungen werden konsequent
bekämpft, u.a. durch die Stärkung der rechtlichen Rahmenbedingungen für
die Verfolgung digitaler Gewalt und eine Kennzeichnungspflicht für
automatisiert verbreitete Inhalte (Bots). Zur Unterstützung gestalten
Internetunternehmen ihre eigenen Strukturen täter*innenunfreundlich,
sicherer und inklusiver. Geschlechtersensible und intersektionale
Präventionsmaßnahmen und Beratungsstellen für Betroffene von digitaler
Gewalt werden eingeführt. Zudem gibt es Spezialist*innen bei jeder
Polizeidienststelle für Hate Speech.[12]
- Digitale Räume und Technologien ermöglichen Emanzipation. Digitale
Interaktionen fördern kritisches Denken, Empathie und bieten Zugang zu
vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten, die junge Menschen nutzen, um sich zu
vernetzen und ihre Lebenswelt aktiv zu gestalten. Dabei werden
insbesondere marginalisierte Stimmen sichtbar gemacht und gestärkt, um
Machtstrukturen zu hinterfragen und abzubauen.
- Digitale Technologien werden gezielt zur Stärkung der Teilhabe junger
Menschen an der Gestaltung der Gesellschaft genutzt. Digitale
Beteiligungsformate werden auf allen Ebenen (kommunal, landesweit,
bundesweit, in der EU) ausgebaut und verbindlich sowie transparent
gestaltet. Sie sind so konzipiert, dass sie für Kinder, Jugendliche und
junge Erwachsene in ihrer Vielfalt erreichbar, verständlich und attraktiv
sind.
Kinder und Jugendliche wollen sich einbringen und engagieren. Das zeigen sie in
ihrem persönlichen Umfeld und in der Jugendverbandsarbeit, an ihren Schulen,
Ausbildungsstätten und Hochschulen, in ihren Einsatzstellen im
Freiwilligendienst, als freiwillig Wehrdienstleistende und auch in der Politik.
In einer kinder- und jugendgerechten Gesellschaft wird das Engagement junger
Menschen wertgeschätzt und gefördert. Das bedeutet für uns:
- Junge Menschen haben ein Recht auf ausreichend Freiräume und unverzweckte
Zeit im Alltag, um sich selbst zu entfalten und ihren Interessen
nachzugehen. Die Zeit, die junge Menschen für ihre formale Bildung
verwenden müssen, wird deshalb auf 35 Stunden pro Woche beschränkt.[13]
Die Politik setzt Anreize für eine Gesellschaft, in der neben der formalen
Bildung auch informelle Bildung und arbeitsmarktneutrales Engagement –
jenseits von gesellschaftlichen Verwertungs- und Ökonomisierungslogiken -
zählt.
- Alle jungen Menschen haben die Möglichkeit, sich ehrenamtlich zu
engagieren. Hierzu schafft die Politik rechtsverbindliche und flexible
Lösungen (z. B. Freistellungsregelungen), damit auch Schüler*innen,
Auszubildende und Arbeitnehmer*innen in unterschiedlichen Formen
ehrenamtlich aktiv sein können. Auch der gesetzliche Anspruch auf
Sonderurlaub wird gewährt.
- Schule, Ausbildung, Studium und Ferienfahrten sind gut miteinander
vereinbar. Da viele Ferienangebote, gerade der Jugendverbandsarbeit, von
ehrenamtlich Engagierten leben, wird ein gemeinsamer deutschlandweiter
Ferienkorridor von mindestens zwei Wochen in den Sommerferien geschaffen.
Gleichzeitig werden die Zeiten von Schul- und Semesterferien stärker
harmonisiert.
- Student*innen, die sich ehrenamtlich engagieren, können für ihre gesamte
Studiendauer staatliche Unterstützung in Form von BAföG erhalten. Das
beinhaltet insbesondere die Genehmigung von zusätzlichen Urlaubssemestern
für das Ausführen von Ehrenämtern. Dabei wird nicht zwischen
hochschulpolitischem und anderweitigem ehrenamtlichen Engagement
unterschieden.
- Ehrenamt wird strukturell gefördert, um wirken zu können. Deshalb wird die
finanzielle Unterstützung der freien Jugendhilfe sowie der
Jugendverbandsarbeit auf Bundesebene so ausgebaut, dass sie den Zielen,
Aufgaben und Forderungen des SGB VIII gerecht werden können. Dazu wird der
Kinder- und Jugendplan des Bundes (KJP) finanziell bedarfsgerecht
ausgestattet und dynamisiert. Es ist sichergestellt, dass auch die
Finanzierung von dauerhaften Strukturen, wie Personal- und Betriebskosten,
langfristig gewährleistet ist. So wird sichergestellt, dass junge Menschen
Orte und Strukturen finden können, in denen sie sich engagieren möchten.
- Junge Menschen werden mit ihren persönlichen Entscheidungen ernst
genommen: Statt eines deutschlandweiten Pflichtdienstes haben sie ein
Recht auf ein Engagement im Freiwilligendienst. Alle Jugendlichen sind
umfassend über die Möglichkeiten eines Freiwilligendienstes informiert und
ihnen wurde während der Schulzeit eine entsprechende kostenfreie Beratung
angeboten. Wo immer junge Menschen, Einsatzstellen und Träger sich auf den
Abschluss einer Freiwilligendienstvereinbarung einigen, ist diese im
Rahmen der bewährten Programme durch den Bund auskömmlich zu fördern. Für
die Ableistung eines Freiwilligendienstes erhalten sie ein staatlich
finanziertes Freiwilligengeld auf BAföG-Niveau, um das Dienstrecht auch
tatsächlich umsetzen zu können und nicht aus sozioökonomischen Gründen an
ihrem Engagement für Gesellschaft und Demokratie gehindert zu werden.
- Freiwilliges und ehrenamtliches Engagement erhalten gesellschaftliche
Wertschätzung. Dies geschieht beispielsweise in Form der Anerkennung eines
Freiwilligendienstes als doppelte Wartesemester oder durch die kostenlose
Nutzung des Öffentlichen Nahverkehrs für Freiwillige und ehrenamtlich
tätige Personen in der Kinder- und Jugendarbeit, die eine Jugendleiter*in-
Card (Juleica) haben.
- Junge Menschen, die einen Incoming-Freiwilligendienst leisten möchten,
erhalten ein Visum. Ein unbürokratischer und transparenter Prozess
ermöglicht es jungen Freiwilligen – unabhängig von ihrer Herkunft –
schnell und sicher ein Visum zu erhalten. Dazu wird die notwendige
administrative Unterstützung bereitgestellt und finanzielle Hürden werden
abgebaut.
In einer kinder- und jugendgerechten Gesellschaft sind Klimaschutz, soziale
Gerechtigkeit und Generationengerechtigkeit untrennbar miteinander verwoben. Die
Bewahrung der Schöpfung, ein sorgsamer Umgang mit den natürlichen Ressourcen und
der Einsatz für eine weltweit nachhaltige und gerechte Entwicklung sind
selbstverständlich. Handlungsleitend ist das Bewusstsein, dass jeder Mensch
heute und in Zukunft das gleiche Recht hat, die Atmosphäre und eine gesunde
Umwelt zu nutzen, ohne sie zu belasten. So wird sichergestellt, dass Klimaschutz
und soziale Gerechtigkeit für alle Menschen Wirklichkeit werden. Um dem
entgegenzuwirken, dass insbesondere junge Menschen im Globalen Süden, die am
wenigsten zur dreifachen planetaren Krise beitragen und dennoch am stärksten
unter ihren Folgen leiden, stärken internationale Partnerschaften eine globale
nachhaltige Entwicklung und setzen sich für die Umsetzung der Agenda 2030 ein,
die gerechtere Lebensverhältnisse für alle schafft. Klimaschutz ist
Generationengerechtigkeit.[14] Das bedeutet für uns:
- Klima- und Biodiversitätsschutz wird in allen Bereichen mitgedacht. So
werden langfristige und nachhaltige Lösungen erreicht. Dazu werden
ambitionierte(re) Maßnahmen ergriffen, wie etwa eine stärkere CO2-
Bepreisung und ein massiver Ausbau erneuerbarer Energien, um Vorreiter im
Klimaschutz zu werden und das 1,5°C-Limit einzuhalten. Gleichzeitig werden
klimaschädliche Subventionen abgeschafft, um damit z. B. den Ausbau einer
nachhaltigen Verkehrsinfrastruktur zu finanzieren.[15]
- Da die Klimakrise eine globale Krise ist, trägt Deutschlandeinen fairen
Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung bei. Dafür werden zusätzlich
zur 0,7%-Quote für öffentliche Entwicklungsleistungen finanzielle Mittel
bereitgestellt. Zudem setzt sich die Bundesregierung gemeinsam mit
Partner*innen für Staatsinsolvenzverfahren und Schuldenstreichungen für
(hoch-) verschuldete Länder im Globalen Süden ein.[16] Staaten im Globalen
Süden können so in soziale Bereiche wie Gesundheit, Bildung und
Klimaschutz investieren.
- Menschen, deren Lebensgrundlage durch die Klimakrise bedroht ist, haben
ein Recht auf Schutz. Die Bundesregierung erkennt die direkten Folgen der
Klimakrise, wie den Anstieg des Meeresspiegels und extreme
Wetterereignisse, als Fluchtursache an und entwickelt einen
Kriterienkatalog. Eine enge Zusammenarbeit mit der EU ermöglicht eine
gesamteuropäische Reform der Asylpolitik, die den Herausforderungen der
Klimakrise gerecht wird.
- Es gibt konsequente und verbindliche Maßnahmen zur Reduktion von
Emissionen in allen Sektoren. Um Emissionen insbesondere im Bau- und
Verkehrssektor zu senken, erfolgt die Rückkehr zu verbindlichen
Sektorzielen im Klimaschutzgesetz. Die festgelegten Ziele werden
konsequent verfolgt und regelmäßig überprüft.
- Es wird ein sozial gerechtes Klimageld eingeführt. Ein Klimageld ist ein
zentraler Baustein, um soziale Gerechtigkeit in der Klimapolitik
sicherzustellen und die Kosten der Klimakrise gerecht zu verteilen.
Einkommensschwache Haushalte werden entlastet, während Menschen mit hohem
CO2-Ausstoß mehr Verantwortung übernehmen. Ein Klimageld wird ab 2026
sozial gestaffelt eingeführt, basierend auf Faktoren wie Einkommen,
Wohnort und Zugang zum öffentlichen Verkehr.
- Mensch, Umwelt und Klima stehen im Mittelpunkt der Mobilität und
Infrastrukturplanung. Mobilität ist gesellschaftliche Teilhabe und wird
daher klimafreundlich, sozial gerecht und inklusiv gestaltet, um allen
Menschen – besonders jungen und marginalisierten Gruppen – eine sichere
und zugängliche Mobilität zu ermöglichen. Insbesondere in ländlichen
Räumen sind ÖPNV und Infrastuktur so gestaltet, dass junge Menschen
mittelfristig nicht mehr auf (motorisierten) Individualverkehr angewiesen
sind. Innenstädte werden schnellstmöglich autofrei gestaltet.
Verkehrsflächen werden gerecht verteilt: Bei allen Baumaßnahmen wird auch
die notwendige Fahrradinfrastruktur verbindlich berücksichtigt. Das Fuß-
und Radwegenetz sowie der öffentliche Verkehr werden insbesondere in
ländlichen Räumen priorisiert und massiv ausgebaut. Außerdem wird ein
sofortiges Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen und 30 km/h innerorts
eingeführt. Zudem gibt es ein kostenfreies Deutschlandticket für junge
Menschen. Gemeinden und Städte sind so gestaltet, dass sie lebenswerte
Orte sind, die die Gesundheit und Lebensqualität aller Menschen erhöhen.
- Der Öffentliche Nahverkehr ist an Bedürfnisse junger Menschen angepasst.
Es gibt eine dichtere Taktung von Bussen und Bahnen, Nachtfahrten sowie
mehr Fahrten am Wochenende. Menschen mit und ohne Behinderung ist die
Nutzung des ÖPNV gleichberechtigt möglich und auch der Transport mit
Fahrrädern oder Gepäck ist unkompliziert. Haltestellen werden hell, sauber
und sicher umgestaltet und stellen keine Angsträume mehr dar. Die
nachhaltige und selbstbestimmte Gestaltung des sozialen Lebens von jungen
Menschen wird so ermöglicht.
Junge Menschen wachsen in einer globalisierten und vernetzten Welt auf. Um sich
mit den Prozessen von Globalisierung auseinanderzusetzen, können alle jungen
Menschen internationale Erfahrungen sammeln, insbesondere im Rahmen von
Jugendbegegnungen. Diese fördern Solidarität, Versöhnung, den Einsatz für die
Demokratie und das Engagement für soziale Gerechtigkeit. Menschen allen Alters
ist bewusst, dass wir nicht losgelöst von anderen leben können. Eine kinder- und
jugendgerechte Gesellschaft stellt das Wohl aller jungen Menschen in den Fokus
und sorgt für gleiche Chancen auf Bildung, Sicherheit und Teilhabe, sowie
Vernetzung und Solidarität, von der alle jungen Menschen profitieren. Das
bedeutet für uns:
- Deutschland fördert Jugendbegegnungen über Grenzen hinweg. Die Förderung
von internationalen Begegnungen stärkt die Wahrnehmung von vielfältigen
Lebensrealitäten. Ein unkompliziertes Verfahren zur Beantragung und
Vergabe von Visa ermöglicht die Teilnahme an internationalen
Jugendaustauschen und Fachkräftebegegnungen für alle Menschen. Als
zentrales Förderinstrument der internationalen Jugendarbeit wird der
Kinder- und Jugendplan des Bundes (KJP) gestärkt und bedarfsgerecht
ausgestattet.
- Entwicklungspolitische Bildung hilft (jungen) Menschen, sich ihre Welt
kritisch zu erschließen und mitzugestalten. Es wird sichergestellt, dass
alle jungen Menschen die Möglichkeit erhalten, sich mit globalen Themen
und Zusammenhängen auseinanderzusetzen sowie die Reflexion der eigenen
Verwobenheit in globale Strukturen, Ungerechtigkeiten und koloniale
Kontinuitäten auch in der Schule fächerübergreifend und –vernetzend zu
reflektieren.
- Für viele junge Menschen ist die europäische Union selbstverständlich.
Deshalb setzt sich die deutsche Politik dafür ein, dass sie als wichtiger
Zusammenschluss verschiedenster Staaten fortbesteht und weiter
demokratisiert wird.
- Innerhalb der europäischen Union werden entsprechend des Schengen-
Abkommens keine Grenzkontrollen durchgeführt. Deutschland setzt sich für
eine entsprechende Umsetzung ein und führt selbst keine Kontrollen durch.
- Die EU richtet ihre Asyl- und Migrationspolitik konsequent an
menschenrechtlichen Standards und internationalem Recht aus. An den
europäischen Außengrenzen werden menschenwürdige Einreise- und
Asyloptionen für alle Menschen durchgesetzt. Dabei wird das Recht auf Asyl
nicht ausgehöhlt und Asylverfahren nicht in Drittstaaten ausgelagert.
Vielmehr werden stattdessen faire, rechtsstaatliche und
menschenrechtskonforme Verfahren innerhalb der EU garantiert. Das
beinhaltet den entschiedenen Einsatz gegen gefängnisähnliche Auffanglager
und für Seenotrettung.
- Deutschland selbst schafft humanitäre Migrations- und Asylverfahren, die
so unbürokratisch und schnell wie möglich sind. Das erlaubt allen jungen
Menschen, die bereits in Deutschland leben oder nach Deutschland kommen,
sich schnell und selbstbestimmt einzubringen und zu entwickeln.
- Deutschland setzt sich weltweit aktiv für Kinderrechte, Frauenrechte und
Menschenrechte insgesamtein. Die Außen- und Entwicklungspolitik der
Bundesrepublik folgt feministischen Grundsätzen[17] und setzt sich für das
Recht auf Bildung[18] von insbesondere Mädchen und jungen Frauen sowie
Frieden und Sicherheit weltweit ein. Dabei wird die Realisierung von
Kinder- und Menschenrechten aktiv gefördert, indem sie gezielt die Rechte
von Mädchen und FINTA* stärkt und marginalisierte Gruppen beteiligt. Junge
Menschen werden dabei als Friedensakteur*innen anerkannt und in
friedensfördernde Prozesse eingebunden, um gleichberechtigte Teilhabe für
alle zu ermöglichen und patriarchale Machtstrukturen zu überwinden.
Frauen, FINTA* und junge Menschen nehmen so eine stärkere Rolle in
politischen Entscheidungsprozessen ein.
- Deutschland geht verantwortungsvoll mit seiner Rolle als Industrienation
um. Das bedeutet im ersten Schritt eine kritische Reflexion der eigenen
Rolle im Zuge der Industrialisierung und die Anerkennung des Leids, das
Deutschland durch seine Ausbeutung anderer Regionen verursacht hat. Als
Entschädigung unterstützt Deutschland die betroffenen Regionen und
Nationen, wobei die Maßnahmen von den Empfänger*innen bestimmt werden.
- Deutschland ist sich seiner Verantwortung in der Welt bewusst, da die Art
zu wirtschaften und zu produzieren direkte Auswirkungen auf Lebens- und
Arbeitsbedingungen im Globalen Süden hat. Die wirtschaftlichen Praktiken
sind daher darauf ausgerichtet, sozialen Ungleichheiten und der Armut im
Globalen Süden entgegenzuwirken. Deutschland leistet einen fairen Beitrag,
um bestehende Ungerechtigkeiten auszugleichen und durch gezielte
Entwicklungs- und Klimafinanzierung zu einer nachhaltigen und gerechten
globalen Zukunft beizutragen. Dabei wird zusätzlich die 0,7%-Quote des
Bruttonationaleinkommen (ODA-Quote) verlässlich und langfristig deutlich
übertroffen und beträgt dabei mindestens 2%.
- Der faire Handel wird als Instrument zur Förderung sozialer Gerechtigkeit
für junge Menschen im Globalen Süden gestärkt. Die Förderung von fairen
Handelspraktiken wird als zentrales Instrument zur Überwindung von
Ungleichheiten in der globalen Wirtschaft gesehen. Dabei umfassen
öffentliche Beschaffungen nur faire Produkte, um eine Vorbildfunktion zu
schaffen sowie nachhaltigen Konsum zu fördern. Dies wird konsequent auf
Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene verbindlich umgesetzt und
weiterentwickelt
- Deutschland richtet seine Handelspolitik im Sinne einer sozial-
ökologischen Transformation aus undsetzt sich für die Dekolonialisierung
internationaler Handelsregeln ein. Nachhaltigkeitskapitel in
Handelsabkommen werden verbindlich und mit Sanktionen belegt, um
Menschenrechte und Umweltschutz zu gewährleisten. Zudem setzt Deutschland
die EU-Richtlinie zur nachhaltigen Sorgfaltspflicht von Unternehmen
(CSDDD) zügig und ambitioniert um, um sicherzustellen, dass Unternehmen in
ihren globalen Lieferketten Umwelt- und Menschenrechtsstandards einhalten.
Der faire Handel wird gezielt gefördert, um Geschlechtergerechtigkeit in
der globalen Wirtschaft zu stärken.
- Deutschland verabschiedet ein Rüstungsexportkontrollgesetz, das mehr
Transparenz bei Exporten sicherstellt und die Einhaltung der
Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht als Prinzipien beinhaltet.
Waffenlieferungen deutscher Unternehmen an autoritäre Regime werden
verboten.
Wir fordern alle Politiker*innen und Parteien auf, sich für kinder- und
jugendgerechte Perspektiven in der Ausgestaltung von Politik und Gesetzen
einzusetzen. Für uns als BDKJ ist klar:
- Wir brauchen eine feministische Jugendpolitik und damit eine Politik, die
junge Menschen in ihrer Vielfalt wahrnimmt, die ihnen zuhört, sie ernst
nimmt, beteiligt, fördert und empowert. Eine Politik, die Kinder,
Jugendliche und junge Erwachsene als Gegenwart und Zukunft der Demokratie
begreift, die sie als Zielgruppe sieht, direkt adressiert und ihre
Interessen politikfeldübergreifend einbezieht.
- Wir brauchen eine Politik, die Demokratie als Gestaltungsraum für Menschen
allen Alters versteht und die Spielregeln für das gesellschaftliche
Miteinander gemeinsam entwickelt. Eine Politik, die
Generationengerechtigkeit zu einem ihrer Leitziele erklärt.
- Wir brauchen eine Politik, die sich löst von einem adultistischen Maßstab.
Eine Politik, die junge Menschen nicht nur als Kinder ihrer Eltern,
sondern als gleichwertigen Teil der Gesellschaft anerkennt: als
Bürger*innen, die mit Rechten ausgestattet sind und die den Anspruch
haben, dass diese auch umgesetzt werden.
- Wir brauchen eine Politik, die Kinder und Jugendliche nicht nur als
Schüler*innen, Konsument*innen, potentiell Erwerbstätige und zukünftige
Steuerzahler*innen betrachtet, sondern ihnen Zeit gibt zum Ausprobieren
und (aneinander) wachsen, die sie Verantwortung übernehmen lässt und
Freiräume bietet, sich ohne Leistungsdruck immer wieder neu zu entdecken
und weiterzuentwickeln. Eine Politik, die außerschulische Erfahrungsräume
der Selbstwirksamkeit als wichtigen Bestandteil des Aufwachsens begreift.
- Wir brauchen eine Politik, die jeglicher Form von Diskriminierung, die
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in unterschiedlichem Maße
betrifft, Handfestes entgegensetzt und durch umfassende Maßnahmen zum
Schutz vor Gewalt allen jungen Menschen ein sicheres und gesundes
Aufwachsen ermöglicht.
- Wir brauchen eine Politik, die vom Bewusstsein lebt, dass junge Menschen
diejenigen sind, die mit den Konsequenzen politischer Entscheidungen am
längsten leben müssen. Eine Politik, die daher auch verantwortungsvoll mit
der Lebensgrundlage junger und zukünftiger Generationen umgeht.
Wir brauchen eine Politik, die eine Gesellschaft mit und für Kinder, Jugendliche
und junge Erwachsene gestaltet. Eine Politik, die ressortübergreifend konsequent
kinder- und jugendgerecht ausgerichtet ist und unsere Demokratie so
zukunftsfähig macht.
[1] s. hierzu: Freiwilligensurvey (2019), Wirksamkeitsdialog NRW (2023), Sinus-
Jugendstudie (2024).
[2] In der UN-Kinderrechtskonvention wird Partizipation als Grundrecht aller
Kinder und Jugendlichen festgeschrieben.
[3] s. BDKJ-Beschluss: Jugend beteiligen jetzt! (2019)
[4] s. BDKJ-Beschluss: Geschlechterparität in allen deutschen Parlamenten –
jetzt (2019): Wir setzen uns für eine umfassende Gleichberechtigung aller
Geschlechter ein. Die Geschlechterparität von Frauen und Männern ist darum für
uns nur der erste - längst überfällige - Schritt. Wir werden die Debatte
weiterführen und voranbringen mit dem Ziel, das binäre Geschlechtermodell
perspektivisch hinter uns zu lassen. Wir setzen uns ein für die
Gleichberechtigung im Grundgesetz und in allen Lebensbereichen, explizit auch
für Menschen, die sich nicht im binären Geschlechtermodell verorten.
[5] Dazu gehört, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) um
Diskriminierungskategorien zu erweitern, die die Lebensrealitäten junger
Menschen in ihrer Vielfalt abbilden und auch denjenigen Schutz bieten, die
aufgrund ihres sozialen Status, ihrer Sprache, ihrer Staatsangehörigkeit, einer
chronischen Krankheit, ihres Körpergewichts oder ihrer familiären
Fürsorgeverantwortung diskriminiert werden. Zudem wird Artikels 3 des
Grundgesetzes um das Diskriminierungsmerkmal sexuelle Identität erweitert.
Zugleich wird dort der Begriff „Rasse” gestrichen.
[6] s. hierzu BDKJ-Beschluss:Gemeinsam aufstehen gegen Antifeminismus (2024).
[7] s. hierzuBDKJ-Beschluss:Aus christlicher Überzeugung für Demokratie! Wir
zeigen klare Kante gegen die extreme Rechte und rechten Populismus(2024).
[8] s. BDKJ-Beschluss: Die Würde des Menschen ist bedingungslos – Für eine
zukunftsfähige Gesellschaft (2023).
[9] s. BDKJ-Beschluss: Digitale Teilhabegerechtigkeit für junge Menschen (2024)
sowie BDKJ-Beschluss: Teilhabe, Lebenswelt und Digitale Mündigkeit – unsere
digitalpolitischen Grundhaltungen (2018).
[10] s. hierzu 25. General Comment, der die vier Grundprinzipien der
Kinderrechtskonvention aufgreift und daraus Forderungen für den digitalen Raum
ableitet, nämlich: Nichtdiskriminierung, Vorrang des Kinderwohls, Recht aus
Leben, Überleben und Entwicklung und Berücksichtigung der Perspektive des
Kindes.
[11] s. BDKJ-Beschluss: Gemeinsam aufstehen gegen Antifeminismus (2024).
[12] s. BDKJ-Beschluss: Frauen*hass im Netz ist real – Gewalt gegen Frauen*
endlich beenden (2021).
[13] s. BDKJ-Beschluss:Frei(t)Räume verwirklichen! (2015).
[14] s. hierzu BDKJ-Beschluss:Klimaschutz ist Generationengerechtigkeit (2021).
[15] s. hierzu BDKJ-Beschluss:Klimageld jetzt. Für mehr soziale Gerechtigkeit
(2024).
[16] s. hierzu BDKJ-Beschluss:Menschen schützen – Gewalt überwinden – Frieden
nachhaltig stärken (2023).
[17] s. hierzu BDKJ-Beschluss: Feministische Entwicklungspolitik – Eine Frage
von Gerechtigkeit (2024).
[18] s. hierzu BDKJ-Beschluss: Kampf von Mädchen und Frauen weltweit
unterstützen (2023).
Begründung
- Die Hauptversammlung hat im Mai dieses Jahres entschieden, dass im Mittelpunkt des Aktionsrahmens zur Bundestagswahl 2025 die Demokratiearbeit stehen soll. "Fokus und Rahmen sollen auf den emanzipatorischen Möglichkeiten liegen, eine lebenswerte, vielfältige Gesellschaft mitzugestalten und Selbstwirksamkeit zu fördern". Der Beschluss sieht vor, dass dazu eine gemeinsame Positionierung verabschiedet wird, in der sich eine kinder- und jugendgerechte Gesellschaftsvision des BDKJ konkretisiert.
- Hierzu ist in den vergangenen Wochen - unter intensiver Mitwirkung der Bundesvernetzungsgruppe Demokratie, des Entwicklungspolitischen Ausschusses, des Digitalpolitischen Ausschusses, des BDKJ-Bundesfrauenpräsidiums sowie der Hauptausschussmitglieder im Arbeit für alle e.V. - dieser Antrag entstanden.
- Wie gewünscht, enthält das Positionspapier eine verdichtete Zusammenstellung zentraler Perspektiven des BDKJ, die die bestehende Beschlusslage zusammenfassen und sinnvoll erweitern. Es ist in neun Kapitel untergliedert und damit insgesamt umfangreich, um daraus bedarfsorientiert inhaltliche Schwerpunkte, politische Forderungen und öffentlichkeitswirksame Narrative für die Arbeit im Rahmen der Demokratieoffensive ableiten zu können.
Dazu der Hinweis: Es ist vorgesehen, dass im Nachgang a) OnePager der verschiedenen Kapitel, b) eine Version in Einfacher Sprache sowie c) eine digitale Audiofassung des Beschlusses erstellt werden.