Veranstaltung: | BDKJ-Hauptversammlung 2024 |
---|---|
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | hv |
Beschlossen am: | 03.05.2024 |
Basierend auf: | A13NEU: Feministische Entwicklungspolitik - eine Frage von Gerechtigkeit |
Feministische Entwicklungspolitik - eine Frage von Gerechtigkeit
Beschlusstext
Die feministische Entwicklungszusammenarbeit ist gelebte Realisierung und
Wahrung von Kinder- und Menschenrechten. Als BDKJ haben wir eine jahrzehntelange
Entwicklungspolitische Expertise mit einem speziellen Fokus auf Kinder und
Jugendliche, welche gepaart ist mit einer feministischen Grundhaltung und einem
Fokus auf Menschenrechte. Deshalb beschließen wir hiermit unsere Positionen zur
feministischen Entwicklungspolitik nach innen und außen und formulieren unsere
Forderungen an Politik, Gesellschaft und Kirche.
Feministische Entwicklungspolitik ist ein transformativer Ansatz in der
Entwicklungszusammenarbeit, der die Geschlechtergerechtigkeit und die Stärkung
von FINTA* in den Fokus rückt. Sie zielt darauf ab, bestehende Machtstrukturen
und Geschlechterungleichheiten aufzuzeigen und zu überwinden, um eine gerechtere
und nachhaltigere Entwicklung zu fördern. Somit trägt sie aktiv dazu bei Kinder-
und Menschenrechte zu realisieren und zu wahren. Darüber hinaus ist ein
positiver Zusammenhang zwischen Gendergerechtigkeit auf der einen und Wohlstand
und Frieden auf der anderen Seite wissenschaftlich belegt.1(Fußnote:
"https://www.swp-
berlin.org/publications/products/aktuell/2022A50_FeministischeAussenpolitik.pdf
S.3")
Seit 2021 verfolgt die deutsche Bundesregierung, wie auch schon einige andere
Länder und Regierungen weltweit, dieseneinen solchenAnsatz. Doch damit dieser
Ansatz nicht nur eine leere Lufthülsen bliebt, braucht es eine starken Einsatz
für Menschenrechte und feministische Perspektiven als Querschnittsthema, sowohl
in der Innen-, als auch Außenpolitik.
Menschenrechte bilden die Grundlage für feministische Entwicklungspolitik, da
sie das Recht auf Gleichbehandlung, Teilhabe, Bildung, Gesundheit,
Selbstbestimmung und Schutz vor Diskriminierung und Gewalt umfassen. Indem
feministische Entwicklungspolitik die Menschenrechte von FINTA* in den
Mittelpunkt stellt und gezielt darauf hinwirkt, diese Rechte zu verwirklichen,
trägt sie zur Stärkung der gesamten Gesellschaft bei und fördert eine inklusive
und gerechte Entwicklung für alle Menschen.
Feministische Entwicklungspolitik beinhaltet die Anerkennung der
unterschiedlichen Erfahrungen und Bedürfnisse verschiedener Geschlechter in
entwicklungspolitischen Maßnahmen und Programmen. Sie setzt sich für die
Förderung von Frauenrechten, die Beseitigung von Diskriminierung und Gewalt
gegen FrauenFINTA*, die Stärkung von FrauenFINTA* in Politik, Wirtschaft und
Gesellschaft sowie die Förderung von Geschlechtergerechtigkeit in allen
Bereichen ein.
Mädchen* und FINTA* in der feministischen Entwicklungspolitik
Der Ansatz der feministischen Entwicklungspolitik fordert auch eine stärkere
Beteiligung und Einbeziehung von FINTA* und Mädchen* in Entscheidungsprozessen
auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene. Es geht darum, dass die
Stimmen und Perspektiven von FrauenFINTA* und Mädchen gehört und respektiert
werden und bestehende patriarchale Machtstrukturen überwunden werden.
Die feministische Entwicklungszusammenarbeit setzt sich für die Gleichstellung
der Geschlechter und die Stärkung der Rechte von FINTA* und Mädchen* weltweit
ein. Kinderrechte spielen dabei eine entscheidende Rolle, da Mädchen* oft
besonders von Diskriminierung und Benachteiligung betroffen sind. Durch die
Förderung von Bildung, Gesundheitsversorgung, Schutz vor Gewalt und Förderung
von Selbstbestimmung tragen feministische Ansätze zur Stärkung der Kinderrechte
bei und ermöglichen es Mädchen*, ihre Rechte in Anspruch zu nehmen und ihr
volles Potenzial zu entfalten.
Der Einsatz für eine feministische Entwicklungszusammenarbeit, ist also
zeitgleich auch der Einsatz für mehr Kinderrechte.
Marginalisierte Gruppen in der Feministischen Entwicklungspolitik
Marginalisierte Gruppen spielen eine entscheidende Rolle in der feministischen
entwicklungspolitischen Zusammenarbeit, da sie oft am stärksten von
Ungleichheit, Diskriminierung und Armut betroffen sind. Durch die Einbeziehung
und Stärkung dieser Gruppen in feministischen
Entwicklungszusammenarbeitsprojekten wird angestrebt, ihre Stimmen zu hören,
ihre Rechte zu schützen und ihre Lebensbedingungen zu verbessern.
Zu marginalisierte Gruppen können insbesondere FINTA*, queere Personen, Menschen
mit Behinderungen, indigene Völker, ethnische Minderheiten, Migrant*innen,
Menschen in ländlichen Gebieten und vielen anderen Gruppen gehören. Sie haben
oft einen erschwerten Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung,
Arbeitsmöglichkeiten und politischer Teilhabe. In der feministischen
Entwicklungszusammenarbeit wird darauf abgezielt, diese strukturellen
Ungleichheiten anzugehen und marginalisierte Gruppen zu empowern, ihre Rechte
einzufordern und ihr eigenes Leben selbstbestimmt zu gestalten.
Durch die Einbeziehung marginalisierter und vulnerabler Gruppen in die Planung,
Umsetzung und Überwachung von feministischen
Entwicklungszusammenarbeitsprojekten wird gewährleistet, dass ihre Bedürfnisse
und Perspektiven berücksichtigt werden. Dies trägt nicht nur zur nachhaltigen
Entwicklung bei, sondern stärkt auch die Demokratie, Zivilgesellschaft und
Menschenrechte. Letztendlich ist es entscheidend, dass feminstische
Entwicklungszusammenarbeitsprojekte inklusiv und divers sind, um eine gerechtere
und inklusivere Welt für alle zu schaffen.
Feministische Entwicklungspolitik als Sicherheits- und Friedenspolitik
Nur da, wo alle Menschen gleichberechtigt am politischen, wirtschaftlichen und
gesellschaftlichen Leben teilhaben, sind Gesellschaften stabil und friedlich.
Eine feministische Entwicklungspolitik kann zu einem positiven Frieden
beitragen, beispielsweise durch die Förderung von Geschlechtergerechtigkeit und
der Teilhabe junger Menschen, marginalisierter Gruppen und FINTA* in
Entscheidungsprozessen im Bereich der Friedens- und Sicherheitspolitik.,
Diese Gruppen sind oft von Konflikten besonders betroffen und ihre Perspektiven
und Erfahrungen müssen in die Politik einbezogen werden. Durch die Einbindung
aller Geschlechter und Generationen, sowie allen Betroffenen, Stake- und
Rightholdern in Friedensverhandlungen können nachweislich resilientere und
nachhaltigere und Lösungen erreicht werden. Um als Friedensstifter*innen agieren
zu können, müssen die UN-Agenden für "Jugend, Frieden und Sicherheit" sowie
"Frauen, Frieden und Sicherheit" aktiv umgesetzt werden.
Feministische Entwicklungspolitik in der Klimaaußenpolitik
FINTA* und Mädchen* sind wie die meisten marginalisierten und vulnerablen
Gruppen überproportional von der Klimakrise betroffen. Umso wichtiger ist es
auch im Bereich Klimapolitik einen feministischen Ansatz zu verfolgen. Sie
sollten in Entscheidungsprozesse einbezogen und aktiv an der Gestaltung von
Klimapolitik beteiligt werden. Dies umfasst auch die Förderung von Bildung und
Führungsmöglichkeiten im Bereich des Klimaschutzes. Die Auswirkungen der
Klimakrise betreffen verschiedene Geschlechter unterschiedlich. Klimapolitik
muss deshalb Geschlechteraspekte der Klimakrise berücksichtigen und gezielt
Maßnahmen ergreifen, um marginalisierte Gruppen zu schützen und zu stärken.
Darunter fallen geschlechterspezifische Anpassungsmaßnahmen und
geschlechtersensible Finanzierungs- und Kriseninterventionsmechanismen in durch
die Klimakrise verstärkte Extremwetterereignissen.
Klimaaußenpolitik sollte darauf abzielen, strukturelle Ungleichheiten zwischen
den Geschlechtern abzubauen und gleiche Teilhabe für alle Geschlechter zu
schaffen. Hierbei sind intersektionale Perspektiven wichtig. Feministische
Ansätze können dazu beitragen, neue Lösungsansätze für den Klimawandel zu
entwickeln, die nicht nur ökologisch, sondern auch sozial gerecht sind. Die
Klimaaußenpolitik sollte mit feministischen Organisationen und Aktivistinnen
zusammenarbeiten, um feministische Anliegen in Klimaverhandlungen und -maßnahmen
stärker zu integrieren.
Feministische Entwicklungspolitik und Fairer Handel
Sowohl die feministische Entwicklungspolitik, wie auch der Faire Handel sind
beides transformative Ansätze, die systemischen Wandel vorantreiben wollen,
welche deshalb als komplementäre Ansätze gemeinsam implementiert werden müssen.
Der faire Handel spielt eine wichtige Rolle für die feministische
Entwicklungspolitik, da er dazu beiträgt, die wirtschaftliche Stärkung von
FINTA* in Ländern des Globalen Südens zu fördern und bestehende Machtstrukturen
zu überwinden. Durch faire Löhne, gerechte Arbeitsbedingungen und den Zugang zu
Bildung und Gesundheitsdiensten ermöglicht der faire Handel FINTA* in Ländern
des Globalen Südens, ihre eigenen wirtschaftlichen und sozialen Rechte zu
verwirklichen.
Weitergehend ist feministisch ökonomisches Denken ein Teil der feministischen
Entwicklungspolitik und entwickelt den fairen Handel durch Neudenken der
wirtschaftlichen Systeme weiter. Denn nicht Wachstum ist das Ziel des
Wirtschaftens, sondern ein gutes Leben für alle Generationen weltweit.
Außerdem trägt der faire Handel dazu bei, Geschlechterungleichheiten und
Diskriminierung zu bekämpfen, indem er FINTA* in den Produktions- und
Handelsprozess einbezieht, ihre Stimme stärkt und ihre Position in der
Gesellschaft verbessert. Darüber hinaus fördert der faire Handel ein Bewusstsein
für die Bedeutung von Geschlechtergerechtigkeit und Rechten von FINTA* in der
globalen Wirtschaft und sensibilisiert Konsument*innen für diese Themen.
Fairer Handel ist notwendig, da er die Defizite und Verwerfungen adressiert,
welche meist weder von staatlichen Gesetzgebungen noch von den wirtschaftlichen
Akteuren angegangen werden bzw. im Gegenteil von diesen eher verursacht oder
ungünstig beeinflusst werden.
Eine feministische Entwicklungspolitik erfordert darüber hinaus die
selbstreflexive Auseinandersetzung mit den eigenen Privilegien und der aus der
Geschichte des Kolonialismus und Kapitalismus gewachsenen finanziellen sowie
politischen Deutungs- und Entscheidungsmacht des Globalen Nordens.
Der Faire Handel hat in vielen Kontexten Veränderungen in patriarchalen
Strukturen erreichen können, deshalb sind der Faire Handel und die feministische
Entwicklungspolitik strategische Partner in der kontinuierlichen
Selbstreflexion, Weiterentwicklung und Überwindung von Machtstrukturen.
Forderungen an die Politik und Gesellschaft
- Umsetzung einer intersektionalen feministischen Außen- und
Entwicklungspolitik mit Menschen- und Kinderrechtsfokus.
- Rechte, Repräsentation, Ressourcen sowie Diversität als wichtige Bausteine
von feministischer Entwicklungspolitik implementieren und durch notwendige
zusätzliche Bausteine wie Evaluierung und Research ergänzen und
weiterentwickeln
- Feministische Ökonomie als Strategie um alternative Modelle des
Wirtschaftens zu etablieren
- Etablierung von (unabhängiger) Evaluierung sowie Wirkungsanalyse der
Strategien der Feministischen Außenpolitik und Feministischer
Entwicklungspolitik und ihre Implementierung
- Stärkere Mitentscheidung von Betroffene in allen Entscheidungsprozessen
die sie direkt und indirekt betreffen sowie themenübergreifendes
Mainstreaming von Stakeholder- und Rightholderengagement in allen
Politikfeldern und Entscheidungen, mit besonderem Fokus auf feministische
Akteur*innen
- Feministische Ökonomie als Strategie um alternative Modelle des
Wirtschaftens zu etablieren und dem kapitalistischen System
entgegenzuwirken.
Umsetzung bestehender der UN - Agenden (z.B. Istanbul Konvention, Women,
Peace, Security; Youth, Peace, Security; Agenda 2030)
Klimapolitische Maßnahmen feministisch ausrichten z.B. geschlechtergerecht
gestaltete Anpassungsmaßnahme
Bedarfsorientierte und stabile finanzielle Förderung besonders für
Projekte feministischer Entwicklungszusammenarbeit
Feministische Entwicklungszusammenarbeit als Mainstreaming Thema für alle
internationalen Kooperationsmaßnahmen
diverse und geschlechtergerechte Besetzung von politischen Ämtern und
Delegationen
Forderungen an die Kirche
Feministische Entwicklungspolitik als Paradigma in allen kirchlichen
Kontexten etablieren
Feministische Entwicklungspolitik als Fokusthema in der DBK Kommission
Weltkirche
Etabilierung, Praktizieren und Voranteiben des Themas feministischer
Entwicklungspolitik im Rahmen der kirchlichen Hilfswerke
Weltkirchliche Arbeit soll auch in pastoralen Kontexten das Empowerment
von Mädchen* und FINTA* fokussieren und stärken.
Feministische Entwicklungspolitik in der Arbeit des BDKJ und dessen Verbände
Wir setzen uns innerhalb des BDKJs und seiner Verbände für die
Sensibilisierung für feministische Themen, die Veränderung patriachaler
Strukturen und die Bedeutung der Gleichstellung der Geschlechter ein
- Im entwicklungspolitisches Engagement des BDKJs und seiner Verbände in In-
und Ausland (d.h. u.a. Partnerschaften, Freiwilligendienste) soll
feministische Entwicklungszusammenarbeit eine entscheidende Rolle spielen
- Die Austauschrunde der entwicklungspolitischen Referent*innen soll sich
mit dem Thema der feministischen Entwicklungspolitik beschäftigen
- Wir setzen uns für klimapolitische feministische und intersektionale
Lösungen ein
- Wir reflektieren koloniale Kontinuitäten und setzen uns für ein Aufbrechen
dieser Machtstrukturen ein.
- Wir machen uns als BDKJ stark für den Fairen Handel und fordern
intersektionale, feministische Perspektiven auf Handelsrealitäten.
Begründung
Der EPA hat sich im Rahmen seiner Studientagung mit dem Konzept der feministischen Entwicklungspolitik auseinandergesetzt. Seit 2021 verfolgt die deutsche Bundesregierung diesen Ansatz. Wir sehen diesen Ansatz als Chance, doch nur, wenn dieser auch proaktiv gelebt wird und nicht als leere Worthülse. Dieser Antrag soll sich mit unsere Forderungen nach einer feministischeren Entwicklungspolitik im In- und Ausland beschäftigen und die Relevanz für den BDKJ und die Jugendverbände. Voraussichtlich wird der EPA noch einmal einen weitgehenden Änderungsantrag zu diesem Antrag einreichen.