Veranstaltung: | Rechenschaftsbericht des BDKJ-Bundesvorstands 2022 |
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Berichterstatter*in: | BDKJ-Bundesvorstand |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 06.04.2022, 00:53 |
B II.4: Entwicklungspolitischer Freiwilligendienst
Text
Auch für den Jahrgang 2021/22 konnten die Interessensverbünde im weltwärts-
Gemeinschaftswerk Sonderregelungen erwirken. So wurden einige Regelungen aus dem
vorherigen Jahrgang auf den aktuellen Jahrgang übertragen, um einerseits das
Überleben der Träger zu sichern und andererseits Ausreisen zu ermöglichen.
Sonderregelungen sind unter anderem die Möglichkeit, den regulären Eigenanteil
von 25 Prozent für den Jahrgang 2021/22 auf bis zu zehn Prozent zu reduzieren,
den Dienst bereits in Deutschland zu beginnen oder eine
Überbrückungsfinanzierung in Anspruch zu nehmen, falls ein Träger nicht genügend
Freiwillige aufnehmen oder entsenden kann. Durch die Überbrückungsfinanzierung
können Personal- und Sachkosten gedeckt werden. Zusätzlich wurden die
Ausreiseregelungen im Sommer 2021 geändert, so dass die vorher aufwändige
Ausreiseprüfung nicht mehr durch die Koordinierungsstelle weltwärts geprüft
werden muss. Dadurch wurde ein aufwändiger Zwischenschritt abgeschafft und den
Trägern so mehr Verantwortung übertragen.
Während sich die Aufnahmezahlen von ausländischen Freiwilligen in Deutschland,
abgesehen von den fast üblichen Visumsproblemen, im Jahrgang 2021/22 wieder
stabilisiert haben, ist der Bereich der Entsendungen weiterhin stark von der
Pandemie beeinträchtigt. Im Jahrgang 2021/22 konnten im gesamten Programm von
den üblichen 3.500 Entsendungen (Stand der Vor-Corona-Jahrgänge) bislang
lediglich circa 900 Freiwillige entsendet werden, weitere 250 Freiwillige haben
ihren Dienst in Deutschland begonnen und können eventuell noch ausreisen (Stand:
Dezember 2021).
Auf Programmsteuerungsebene beschäftigen sich die staatliche Seite und die
Interessensverbünde aktuell vor allem mit ökologischer Nachhaltigkeit im
weltwärts-Programm. Hierfür wurde eine Arbeitsgruppe (AG) gegründet, die
konkrete Maßnahmen und Ziele zur Umsetzung und Stärkung von ökologischer
Nachhaltigkeit auf Programmebene definieren soll. Außerdem haben sich die
staatliche Seite und die zivilgesellschaftlichen Vertreter*innen im
Programmsteuerungsausschuss über den hohen administrativen Aufwand im weltwärts-
Programm ausgetauscht und haben sich darauf verständigt, Möglichkeiten zu
eruieren, um den administrativen Aufwand künftig zu reduzieren.
Die Interessensverbünde haben im Winter erste Gespräche mit dem
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)
geführt, um für eine Erhöhung der Süd-Nord-Förderpauschalen zu werben, da diese
angesichts steigender Kosten in Deutschland und Inflation kaum ausreichen. Da es
in den nächsten Jahren voraussichtlich aber keinen Mittelaufwuchs für das
weltwärts-Programm geben wird, müsste für eine Pauschalerhöhung eruiert werden,
wie diese refinanziert werden kann.
Die Zivilgesellschaft muss darauf hinwirken, dass die staatliche Seite
Regelungen findet, die den Administrationsaufwand für die Träger deutlich
verringert. Hierfür ist es wichtig, dass die zivilgesellschaftlichen
Interessensvertreter*innen in den Prozess involviert werden. Da bei Änderungen
der Richtlinien aber auch andere staatliche Akteur*innen eine Rolle spielen,
müssen gegebenenfalls auch andere Kanäle für die Einflussnahme bespielt werden.
Grundsätzlich begrüßt der Bundesvorstand die Beschäftigung mit dem Thema
ökologischer Nachhaltigkeit. Es gilt allerdings zu bedenken, dass weltwärts kein
rein ökologisches Programm ist, sondern ein entwicklungspolitisches Programm,
das auf den Nachhaltigkeitszielen basiert. Deshalb müssen alle Akteur*innen auf
Programmebene darauf achten, dass auch die anderen Nachhaltigkeitsziele
weiterhin im Fokus bleiben.
Hinsichtlich der rückgehenden Bewerbungen in der Nord-Süd-Komponente ist es
wichtig, dass verstärkt Öffentlichkeitsarbeit betrieben wird und das FIJ
(Freiwilliges Internationales Jahr) darüber hinaus auch für
Entscheidungsträger*innen sichtbar platziert wird.
Ab dem Jahrgang 2022/23 wird es die oben beschriebenen Sonderregelungen nicht
mehr geben. Es werden aber bestimmte, coronabedingte Mehrkosten wie zum Beispiel
für Ausreisen/Einreisen notwendige PCR-Tests bis zu 100 Prozent von weltwärts
übernommen.
Ein Problem in Süd-Nord könnte die ab Mitte März geltende, einrichtungsbezogene
Impfpflicht darstellen, da Süd-Nord-Freiwillige eventuell mit einem Impfstoff
geimpft sind, der in Deutschland nicht anerkannt ist. Klar ist bereits, dass die
Impfpflicht generell auch für Freiwilligendienstleistende gilt. Deshalb ist es
wichtig, Regelungen zu finden, die die Situation der Süd-Nord-Freiwilligen
berücksichtigen und sie nicht benachteiligen.
Es ist davon auszugehen, dass sich die Entsendezahlen im kommenden Jahrgang
2022/23 weiterhin stabilisieren werden, auch wenn sie nicht vergleichbar sein
werden mit den Entsendezahlen der Vor-Corona-Jahrgänge.
Seit der Hauptversammlung 2021 haben zwei digitale Trägertagungen stattgefunden.
Der Verbund beschäftigt sich seit mittlerweile über einem Jahr mit der Frage,
wie gleichberechtigtes Arbeiten innerhalb der eigenen Strukturen möglich sein
kann. Neben einem Input von zwei externen Referent*innen auf der Herbsttagung
2021 wurde auch ein Ausschuss gegründet. Dieser ist unter anderem in die
Vorbereitung der Trägertagung involviert, um sicherzustellen, dass das Format
und die Methoden keine asymmetrischen Machtverhältnisse innerhalb des Verbundes
verstärkt. Zusätzlich werden aktuell weitere Maßnahmen im Ausschuss diskutiert.
Die Geschäftsführung des Katholischen Verbunds übernehmen weiterhin der BDKJ
gemeinsam mit FID/AGIAMONDO.
Der Katholische Verbund wird am Katholik*innentag mit einem kleinen Stand
vertreten sein, der am Stand von AGIAMONDO angedockt ist.
Der Bundesvorstand begrüßt den angestoßenen Prozess zum gleichberechtigten
Arbeiten und ermutigt alle Akteur*innen, sich aktiv einzubringen, denn nur so
können Strukturen geschaffen werden, die eine Gleichbehandlung aller
Akteur*innen ermöglichen.
Die Frage nach gleichberechtigtem Arbeiten innerhalb der Verbundstrukturen wird
den Katholischen Verbund wahrscheinlich auch noch über dieses Jahr hinaus
beschäftigen. Es gilt im Auge zu behalten, dass auf die Analyse der eigenen
Strukturen auch Maßnahmen folgen sollten.
Verglichen mit den Entsendezahlen der anderen Verbünde haben die Träger im
katholischen Konsortium im Jahrgang 2021/22 weniger junge Menschen für ein FIJ
gewinnen können. Von den 45 Nord-Süd-Trägern im katholischen Konsortium hatten
circa ein Drittel zu wenige Freiwillige für den Jahrgang 2021/22 finden können
und haben deshalb die Überbrückungsfinanzierung in Anspruch genommen. Zusätzlich
haben vier Träger die Möglichkeit in Anspruch genommen, den Eigenanteil zu
reduzieren. Ursprünglich hatten die Träger circa 500 Ausreisen geplant.
Pandemiebedingt konnten aber lediglich 300 Freiwillige per Namensliste gemeldet
werden. Davon haben 120 Freiwillige ihren Dienst bereits vor Antritt storniert,
180 Freiwillige sind ausgereist, haben ihren Dienst in Deutschland begonnen oder
warten noch auf eine Ausreise (Stand: Januar 2022). Auch in Süd-Nord sind die
tatsächlichen Aufnahmen weit unter den geplanten Aufnahmen geblieben: von
ursprünglich 120 geplanten Einreisen konnten nur 92 Freiwillige per Namensliste
gemeldet werden. Acht der 92 Freiwilligen stornierten ihren Dienst vor Beginn,
84 Freiwillige sind entweder bereits eingereist oder werden noch bis April 2022
einreisen.
Die vielen Sonderregelungen haben sowohl die Träger als auch die Zentralstelle
viele Ressourcen gekostet, da die Koordinierungsstelle zahlreiche Auflagen und
ein enges Mittelmonitoring forderte. Dies hatte wiederum zur Folge, dass mehr
Änderungsanträge als üblich gestellt werden mussten.
Die Freiwilligenzahlen geben Grund zur Hoffnung, dass sich die Nord-Süd-
Komponente nach zwei stark von der Pandemie geprägten Jahrgängen wieder gut
erholt (hat). Die Entsendezahlen im Jahrgang 2022/23 sind zukunftsweisend: je
mehr Freiwillige ausreisen können, umso schneller werden sich die Entsendezahlen
wieder auf dem Vor-Corona-Niveau einpendeln.
Die von den Trägern angemeldeten Förderbedarfe für den Jahrgang 2022/23 bewegen
sich in beiden Komponenten auf dem Niveau der Vorjahre. Ob die Träger genügend
junge Menschen für ein FIJ gewinnen können, ist aktuell noch nicht absehbar.
Angesichts der kritischen pandemischen Lage und des generell zurückgegangenen
Interesses an einem FIJ ist dieses Ziel vermutlich nur durch verstärkte
Öffentlichkeitsarbeit zu erreichen.
Das Interesse an einem Süd-Nord-Freiwilligendienst ist weiterhin sehr hoch. Die
katholischen Träger haben knapp zehn Prozent mehr Bedarf als in den Vorjahren
gemeldet. Aufgrund des noch nicht beschlossenen Bundeshaushaltsgesetzes und
eines eher unwahrscheinlichen Mittelaufwuchses für weltwärts konnte die
Koordinierungsstelle weltwärts dem katholischen Konsortium bislang allerdings
lediglich Fördermittel in einem Umfang vergleichbar mit dem letzten Jahr in
Aussicht stellen. Die Koordinierungsstelle weltwärts geht jedoch davon aus, dass
auch in diesem Jahr die Fördermittel in Süd-Nord nicht voll ausgeschöpft werden.
Falls die bewilligten Fördermittel nicht ausreichen sollten, besteht
wahrscheinlich die Möglichkeit, im Laufe des Jahres weitere Fördermittel zu
beantragen.